Des Teufels Alternative
erhalten hatte. Er freute sich auf ein ausgedehntes heißes Bad und sein Bett.
Er hatte eben seinen Mantel ausgezogen und seinem Gastgeber guten Abend gesagt, als ihm ein Kurier aus der Botschaft einen dicken braunen Umschlag überreichte. Der Inhalt bewirkte, daß Campbell in dieser Nacht kaum zum Schlafen kam. Aber der Aufwand lohnte sich.
Am nächsten Tag nahm der Amerikaner in Castletown House in der Long Gallery am Verhandlungstisch Platz und sah ausdruckslos zu Professor Iwan I. Sokolow hinüber.
Okay, Professor, dachte er, ich weiß, wie weit Sie mit Ihren Zugeständnissen gehen dürfen. Dann wollen wir mal mit der Arbeit anfangen.
Es dauerte 48 Stunden, bis der sowjetische Delegierte sich damit einverstanden erklärte, die Zahl der taktischen Atomraketen des Typs SS 20 in Osteuropa auf die Hälfte zu reduzieren. Sechs Stunden später wurde im Speisesaal ein Protokoll unterzeichnet, in dem die USA sich verpflichteten, der UdSSR Ölbohr- und Ölgewinnungstechnologien im Werte von 200 Millionen Dollar zu überlassen, zu Ausverkaufspreisen.
Die alte Dame war immer noch bewußtlos, als sie mit einem Krankenwagen in das Kiewer Oktoberkrankenhaus in der Karl-Liebknecht-Straße 39 eingeliefert wurde, und blieb es bis zum nächsten Morgen. Als sie endlich erklären konnte, wer sie war, ließ die erschrockene Krankenhausverwaltung sie sofort in ein Einzelzimmer verlegen, das sich rasch mit Blumen füllte. Im Laufe des Tages wurde sie von dem besten Kiewer Chirurgen operiert, der ihren Oberschenkelknochen nagelte.
In Moskau wurde Iwanenko von seinem Adjutanten angerufen. Angespannt lauschte er, dann sagte er ohne zu zögern:
»Ja, ich verstehe. Sagen Sie ihr, daß ich sofort komme. Was? Gut, dann eben, wenn sie aus der Narkose aufgewacht ist. Morgen abend? Ja, bereiten Sie alles vor.«
Am Abend des letzten Oktobertages war es bitter kalt. In der Rosa-Luxemburg-Straße, die an der Rückseite des Oktoberkrankenhauses vorbeiführt, war niemand unterwegs. Zwei große schwarze Limousinen parkten vor dem Hintereingang des Gebäudes, den der KGB-Vorsitzende dem großartigen Portal an der Vorderfront vorgezogen hatte.
Die Krankenhausanlage befindet sich auf einer leichten Anhöhe, die von Bäumen umgeben ist. Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite war ein Erweiterungsbau errichtet worden, dessen noch nicht fertiggestellte Obergeschosse über die Baumkronen hinausragen. Die beiden Männer, die dort oben zwischen Zementsäcken hockten und sich ihre klammen Hände rieben, ließen die schwarzen Limousinen, die von einer einzelnen trüben Birne über dem Krankenhauseingang beleuchtet wurden, nicht aus den Augen.
Der Mann, der nur noch sieben Sekunden zu leben hatte und der jetzt die Treppe herabkam, hatte sich für die wenigen Schritte über den Gehsteig zu der warmen Limousine in einen langen Mantel mit Pelzkragen gehüllt und dicke Handschuhe angezogen. Er hatte zwei Stunden bei seiner Mutter verbracht, sie getröstet und ihr versichert, die Schuldigen würden gefunden werden, wie der verlassene Wagen bereits gefunden worden war …
Der Mann wurde von einem Adjutanten begleitet, der vorauslief und die Lampe über dem Eingang ausschaltete. Die Tür und der Gehsteig lagen im Dunkeln. Erst jetzt näherte Iwanenko sich der Tür, die einer seiner sechs Leibwächter aufhielt, und verließ das Gebäude. Sofort wurde er von vier weiteren Leibwächtern umringt und war nur noch ein Schatten unter Schatten.
Der SIL stand mit laufendem Motor zur Abfahrt bereit. Iwanenko ging rasch auf den Wagen zu und blieb, während die hintere Tür geöffnet wurde, eine Sekunde lang stehen. Er starb, als die Kugel aus dem Jagdgewehr seine Stirn durchschlug, das Scheitelbein zersplitterte, am Hinterkopf austrat und in der Schulter des Adjutanten steckenblieb.
Nicht einmal eine volle Sekunde lag zwischen dem Knall des Gewehrs, dem dumpfen Einschlag des Geschosses und dem ersten Aufschrei von Oberst Kukuschkin, des dienstältesten Leibwächters. Bevor Iwanenko auf dem Gehsteig zusammensackte, hatte ihn der Oberst unter den Armen gepackt und auf den Rücksitz der Limousine gezerrt. Die Wagentür war noch nicht geschlossen, als der Oberst dem verwirrten Chauffeur zurief: »Losfahren, fahren Sie los!«
Als der SIL mit quietschenden Reifen anfuhr, bettete Kukuschkin das blutende Haupt des KGB-Vorsitzenden in seinen Schoß. Er dachte hastig nach. Der Verletzte mußte in ein Krankenhaus eingeliefert werden, aber welches war für diesen
Weitere Kostenlose Bücher