Des Teufels Alternative
innerhalb oder außerhalb der Sowjetunion –, der zum Schweigen gebracht werden muß, bevor er sein Geheimnis verraten kann. Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Nachforschungen?«
»Bei den Ukrainern«, antwortete Petrow. »Wir haben alle ukrainischen Gruppen in Deutschland, England und Amerika unterwandert. Aber keiner unserer Leute hat je auch nur andeutungsweise von einem solchen Attentatsplan gehört. Ich persönlich glaube, daß die Täter noch in der Ukraine sind. Es ist unbestreitbar, daß Iwanenkos Mutter ihnen als Köder gedient hat. Wer aber kann gewußt haben, daß diese Frau seine Mutter war? Kein Parolenschmierer in New York. Kein Stammtischnationalist in Frankfurt. Kein Flugblattverteiler in London. Nein, das muß ein Einheimischer gewesen sein, ein Einheimischer mit Verbindung ins Ausland. Wir konzentrieren uns derzeit auf Kiew. Mehrere hundert Männer, die in Arbeitslagern gewesen und nach Kiew und Umgebung zurückgekehrt sind, werden im Augenblick vernommen.«
»Finden Sie die Täter, Wassili, und machen Sie sie stumm!« Maxim Rudin wechselte, wie es seine Art war, unvermittelt das Thema. »Gibt’s was Neues aus Irland?«
»Die Amerikaner haben die Gespräche fortgesetzt, ohne auf unsere Initiative einzugehen«, sagte Petrow.
Rudin schnaubte. »Dieser Matthews ist ein Trottel! Wieweit, denkt er, können wir denn noch gehen, bevor wir den Rückzug antreten müssen?«
»Er muß mit den sowjetfeindlichen Senatoren zurechtkommen«, gab Petrow zu bedenken, »und mit diesem katholischen Faschisten Poklewski. Und er kann natürlich nicht wissen, daß wir im Politbüro mit dem Rücken zur Wand kämpfen.«
Rudin knurrte. »Falls er uns bis Neujahr nichts anbietet, kommen wir bei der nächsten Abstimmung Anfang Januar nicht mehr durch …«
Er griff nach seinem Glas, trank einen Schluck Cognac und stellte das Glas mit einem Seufzer der Erleichterung zurück.
»Halten Sie das für richtig?« fragte Petrow besorgt. »Die Ärzte haben Ihnen doch schon vor fünf Jahren den Alkohol verboten.«
»Der Teufel soll die Ärzte holen!« sagte Rudin. »Deshalb habe ich Sie überhaupt kommen lassen. Ich kann Ihnen mitteilen, daß ich garantiert nicht an Lungenkrebs oder Leberversagen sterben werde.«
»Freut mich«, murmelte Petrow unsicher.
»Aber das ist noch nicht alles. Ich trete am dreißigsten April von allen meinen Ämtern zurück. Überrascht Sie das?«
Petrow saß sekundenlang wie erstarrt da. Er hatte zweimal miterlebt, wie die Mächtigen abtraten. Zuerst Chruschtschow, der in Ungnade fiel, verstoßen wurde und fortan eine Unperson war. Dann Breschnew, der den Zeitpunkt seines Abganges selbst bestimmt hatte. Petrow hatte die Erschütterungen gespürt, die unweigerlich auftreten, wenn der mächtigste Tyrann der Welt einem anderen weichen muß. Aber noch nie hatte er es aus dieser Nähe erlebt. Diesmal war er der designierte Nachfolger – es sei denn, die anderen hinderten ihn daran, den ihm bestimmten Platz einzunehmen.
»Ja«, antwortete er vorsichtig, »das überrascht mich.«
»Im April berufe ich eine Sitzung des Zentralkomitees ein«, fuhr Rudin fort, »um meinen Rücktritt bekanntzugeben. Am ersten Mai wird ein neuer Mann die Parade auf dem Roten Platz vor dem Mausoleum abnehmen. Ich möchte, daß Sie dort stehen. Im Juni findet der nächste Parteitag statt, auf dem mein Nachfolger eine programmatische Rede zu halten hat. Ich möchte, daß Sie sie halten. Das habe ich Ihnen schon vor Wochen gesagt.«
Petrow wußte seit dem Gespräch in der Kremlsuite, in dessen Verlauf Rudin ihn zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, daß er diese Position einnehmen sollte. Iwanenko, zynisch und wachsam wie immer, hatte mit ihnen zusammengesessen. Aber der Leiter der Abteilung Parteiorganisation hatte nicht geahnt, daß alles so schnell gehen würde.
»Ich kann das Zentralkomitee nur dann dazu bringen, Ihrer Nominierung zuzustimmen, wenn ich ihm das bieten kann, was es sich am sehnlichsten wünscht: Getreide. Wie unsere Chancen stehen, brauche ich Ihnen ja wohl nicht zu erläutern. Falls Castletown scheitert, wird Wischnajew mein Nachfolger.«
»Warum so bald?« fragte Petrow.
Rudin hielt sein Glas hoch. Mischa tauchte aus dem Hintergrund auf und schenkte Cognac nach.
»Ich habe gestern den Befund aus Kunzewo bekommen«, antwortete Rudin. »Die Ärzte haben mich seit Wochen immer wieder untersucht. Jetzt sind sie sich ihrer Sache sicher. Ich richte mich nicht durch Zigaretten oder Cognac zugrunde. Ich habe
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