Des Teufels Alternative
das Zehntausende in die Arbeitslager verbannte. Sokolow gehörte zu den Natschalstwo , den Bonzen. Aber selbst die Natschalstwo haben Enkel.
Der amerikanische Delegationsleiter hörte dem Russen mit wachsendem Erstaunen zu.
Du armer alter Mann, dachte er. Was dich das kosten muß!
Als der andere mit seiner Rede fertig war, stand Edwin J. Campbell auf und dankte dem Professor für seine Ausführungen, die er im Namen der Vereinigten Staaten mit höchster Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen habe. Er beantrage eine Vertagung, weil die amerikanische Regierung Gelegenheit haben müsse, ihre Position zu überdenken. Innerhalb einer Stunde befand sich Campbell in der Amerikanischen Botschaft in Dublin, um David Lawrence die verblüffende Rede Sokolows zu übermitteln.
Einige Stunden später griff Lawrence im Außenministerium in Washington nach einem Telefonhörer und rief Präsident William Matthews über die Direktleitung an.
»Mr. President, ich kann Ihnen mitteilen, daß die Sowjetunion vor sechs Stunden in Irland in drei wesentlichen Punkten nachgegeben hat. Sie betreffen die Verringerung der Interkontinentalraketen mit Nuklearsprengköpfen, die Verminderung der in Osteuropa stationierten Panzerdivisionen und einen allgemeinen Truppenabbau entlang der Elbe.«
»Danke, David«, sagte Matthews. »Das ist ja großartig! Dafür sollten wir uns erkenntlich zeigen, finde ich.«
Das Birken- und Lärchenwaldgebiet südwestlich von Moskau, in dem die sowjetische Elite ihre Datschas hat, ist nur wenig über 250 Quadratkilometer groß. Die Führungsschicht bleibt gern eng beieinander. Kilometerlang verlaufen hier die Straßen zwischen grüngestrichenen Stahlgittern, hinter denen die Besitztümer der Spitzenfunktionäre liegen. Wer über diese Zäune klettert oder durch ein offenstehendes Tor fährt, wird in Sekundenschnelle von Wachtposten abgefangen, die hinter den Bäumen auftauchen.
Im Mittelpunkt dieses Wohngebietes liegt, jenseits der Uspenskojer Brücke, das kleine Dorf Schukowka. Der Ort wird Schukowka-Dorf genannt, um ihn von zwei anderen, jüngeren Siedlungen in der Nähe zu unterscheiden: Sowmin Schukowka, wo die Parteigrößen ihre Wochenendvillen haben, und Akademik Schukowka mit den Wochenendhäusern der Schriftsteller, Künstler, Musiker und Wissenschaftler, die Gnade vor den Augen der Partei gefunden haben.
Auf dem anderen Flußufer liegt die noch exklusivere Siedlung Usowo. In ihrer Nähe bewohnt der sowjetische Staats- und Parteichef eine Luxusvilla inmitten eines über 100Hektar großen strengbewachten Waldstücks.
In dieser Villa saß Maxim Rudin am Weihnachtsabend in seinem Lieblingssessel und streckte die Füße vor dem riesigen Kamin aus Granitblöcken aus, in dem klobige Kiefernscheite prasselten. Derselbe Kamin hatte schon Leonid Breschnew und Nikita Chruschtschow gewärmt. Weihnachten hatte Maxim Rudin seit über fünfzig Jahren nicht mehr gefeiert.
Der Feuerschein flackerte über die holzgetäfelten Wände des Arbeitszimmers und beleuchtete das Gesicht Wassili Petrows, der Rudin gegenübersaß. Neben Rudins Sessel stand ein Tischchen mit einem Aschenbecher und einem halbvollen Schwenkglas mit armenischem Cognac. Petrow betrachtete es mißbilligend, weil er wußte, daß sein alternder Beschützer keinen Alkohol trinken sollte. Rudin hielt die unvermeidliche Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Wie kommen die Ermittlungen voran?« fragte er.
»Langsam«, gab Petrow zu. »Daß die Täter von außerhalb unterstützt worden sind, steht außer Zweifel. Wir wissen, daß das Nachtsichtgerät in New York gekauft worden ist. Das finnische Gewehr stammt aus einer nach Großbritannien exportierten Serie. Wir wissen nicht, in welchem Laden es gekauft worden ist, aber es ist vermutlich ganz legal im freien Handel erworben worden.
Die Schuhabdrücke auf der Baustelle sind mit denen aller dort beschäftigten Arbeiter verglichen worden. Dabei sind zwei Abdrücke entdeckt worden, die von Fremden stammen müssen. Die Nacht war feuchtkalt, so daß die Fußspuren sich im Zementstaub gut gehalten haben. Wir wissen ziemlich sicher, daß es zwei Männer gewesen sein müssen.«
»Dissidenten?« fragte Rudin.
»Höchstwahrscheinlich. Und natürlich geisteskrank.«
»Nein, Wassili, heben Sie sich das für Parteiversammlungen auf. Verrückte knallen einfach drauflos oder opfern ihr Leben. Dieses Attentat aber ist von irgend jemandem in monatelanger Arbeit vorbereitet worden. Von irgend jemandem –
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