Des Teufels Kardinal
Uhr
Harry öffnete die Küchentür und machte Licht. Er trat an die Arbeits-theke und überzeugte sich erneut davon, daß das Ladegerät wirklich die schlanken Akkus ihrer Mobiltelefone lud. Sie besaßen jetzt zwei Telefone: das eine, das sie hier in der Wohnung vorgefunden hatten, und das andere, das Adrianna ihm gegeben hatte. Wenn sie morgen in den Vatikan aufbrachen, würden Danny und er je ein Mobiltelefon mitnehmen. So konnten sie während der Befreiung Marscianos in Verbindung bleiben, weil die vielen Touristen und Vatikanangestell-ten, die mit Mobiltelefonen telefonierten, es Farel hoffentlich un-möglich machen würden, ihre Gespräche abzuhören. Selbst wenn er wußte, daß sie in der Nähe waren.
Nachdem Harry sich vergewissert hatte, daß das Ladegerät funktionierte, schaltete er das Licht wieder aus und verließ die Küche.
»Sie sollten schlafen.« Elena stand in der Tür ihres Zimmers, das dem von Harry und Danny gemeinsam benutzten Schlafzimmer gegenüberlag. Ihr Haar war zurückgekämmt, und sie trug ein Baum-wollnachthemd. Am Ende des dunklen Korridors lag das Wohnzimmer, in dem Herkules laut schnarchend auf der Couch schlief.
Harry trat zwei Schritte auf sie zu. »Ich will nicht, daß Sie mitkommen«, erklärte er ihr leise. »Danny, Herkules und ich kommen allein zurecht.«
»Herkules hat einen eigenen Auftrag, und irgendwer muß sich um Pater Daniel im Rollstuhl kümmern. Sie können nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.«
»Elena! Dieses ganze Unternehmen ist zu unsicher und zu gefährlich.«
Das Licht der Nachttischlampe hinter ihr schien durch den zarten Stoff von Elenas Nachthemd, unter dem sie nichts anhatte. Als sie jetzt näher trat, konnte Harry sehen, wie ihr voller Busen sich bei jedem Atemzug hob und senkte.
»Elena, ich will nicht, daß Sie mitkommen«, stellte Harry mit Nachdruck fest. »Wenn Ihnen etwas zustieße…«
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Sie hob eine Hand und legte ihm sanft ihren Zeigefinger auf die Lippen. Im nächsten Augenblick nahm sie den Finger wieder weg und streifte seine Lippen leicht mit ihren.
»Wir haben noch diese Nacht, Harry«, flüsterte sie. »Was auch geschieht, wir haben noch diese eine Nacht… Nütze sie, um mich zu lieben…«
457
134
1.40 Uhr
Zuletzt hatte Danny vor einer Viertelstunde auf seinen Wecker gesehen. Falls er in der Zwischenzeit geschlafen hatte, wußte er nichts davon. Harry war eben erst hereingekommen und unter seine Bettdecke geschlüpft. Seit er hinausgegangen war, um das Ladegerät zu kontrollieren, war über eine Stunde verstrichen. Wo er gewesen und was er in dieser Zeit getan hatte, wußte Danny nicht, aber er vermutete, daß sein Bruder bei Elena gewesen war.
Danny hatte verfolgt, wie sich seit Bellagio zwischen den beiden eine geradezu elektrische Spannung aufgebaut hatte, und genau ge-wußt, daß irgendwann ein Funke überspringen würde. Daß Elena Voso eine Nonne war, spielte dabei kaum eine Rolle. Danny hatte schon in Pescara gespürt, daß sie keine Frau war, die für ein stilles, zurückgezogenes Klosterleben geeignet war. Aber daß sie sich ausgerechnet in seinen Bruder verlieben würde, hätte er sich selbst unter den verrücktesten Umständen nicht vorstellen können. Allerdings –
er mußte unwillkürlich grinsen – waren dies die bei weitem turbulen-testen Umstände, die jemand sich hätte ausmalen können. Turbulent und dabei, sein Grinsen verschwand schlagartig, schrecklich tragisch.
Vor seinem inneren Auge stand erneut der bewaffnete Mann im Bus nach Assisi, und er glaubte wieder, die Detonation zu spüren.
Dann kam die Erinnerung an das Feuer, die Schreie, das Durcheinander, den wild schlingernden Bus. Er wußte noch, wie er instinktiv möglichst viel von seinem Tascheninhalt in die Jacke des toten Killers gestopft hatte. Im nächsten Augenblick verschwanden diese Bilder, und er sah Marsciano durch das Gitter des Beichtstuhls, hörte seine schmerzlich heisere Stimme: »Segne mich, Pater, denn ich habe gesündigt…«
Danny wälzte sich auf die Seite und vergrub seinen Kopf im Kissen, als lasse die Stimme des Beichtenden sich so zum Schweigen bringen. Aber dieser Versuch war zwecklos. Er wußte jedes einzelne Wort auswendig.
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Adrianna bewegte sich, als sie ein Geräusch hörte, und sah auf. Eaton stieg aus dem Wagen, zog das Jackett seines beigen Sommeran-zugs gerade und ging dann auf dem Gehsteig in die Richtung davon, wo Scala parkte. Sie sah, wie er einen Bogen um den Lichtkreis einer Straßenlaterne
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