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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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ab. Das war gefährlich, weil er damit ein Gesicht sehen ließ, das die Öffentlichkeit aus den Fahndungsaufrufen der Gruppo Cardinale in Presse und Fernsehen kannte. Aber ihm blieb nichts anderes übrig. Danny hatte gesagt, nur sehr wenige im Vatikan beschäftigte Gärtner trügen einen Bart.
    Herkules saß am Küchentisch und beobachtete die winzigen Dampfwölkchen, die aus dem Becher mit schwarzem Kaffee zwischen seinen Händen aufstiegen. Elena ihm gegenüber war ebenso schweigsam und hatte ihren Kaffee noch nicht angerührt.
    Herkules war erst vor einer Viertelstunde aus dem Bad gekommen: Er hatte diesen seltenen Luxus so genossen, daß er eine halbe Stunde in der Wanne geblieben war, bevor er sich wie Harry rasiert hatte.
    Und sobald Harry fertig war, hatten sie etwas gemeinsam: Sie waren nicht nur kühne, tapfere Kreuzfahrer vor dem Marsch in ein fremdes Land, sondern würden beide frisch rasiert sein, wenn sie dorthin aufbrachen. Das war vielleicht nur eine Kleinigkeit, die aber wie eine Uniform ihre Bruderschaft festigte und Herkules innerlich sehr befriedigte.
    Scala sah, wie die Haustür aufging und die beiden herauskamen. Der einzige Unterschied zwischen Harry Addison und einem gewöhnlichen Priester auf dem Weg zur Frühmesse war das zusammengerollte Kletterseil über seiner rechten Schulter. Das Seil und der Zwerg, der mit den kraftvollen, flüssigen Bewegungen eines gewandten Turners auf seinen Krücken mit ihm Schritt hielt. Die beiden verlie-
    ßen die Via Nicolò V; er sah sie in der Dunkelheit vor Tagesanbruch die Viale Vaticano erreichen und nach links abbiegen, um dann der Vatikanmauer nach Westen zum St.-Johannes-Turm zu folgen. Es war genau vier Uhr vierzig.

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    Auch Eaton, der am Steuer des Fords sitzend ein Nachtsichtgerät benutzte, sah die beiden aus dem Haus kommen. Der körperbehinderte Zwerg war ihm ebenso ein Rätsel wie das Seil, das Addison über der Schulter trug.
    »Harry und ein Zwerg!« Adrianna, die wieder hellwach war, hatte die beiden im Lichtschein einer Straßenlaterne gesehen, bevor sie wieder im Dunkel verschwanden.
    »Aber ohne Pater Daniel. Und Scala hat sich nicht von der Stelle gerührt.« Eaton legte das Nachtsichtgerät wieder weg.
    »Wozu das Seil? Glaubst du etwa, daß sie…«
    »Marsciano befreien wollen?« ergänzte Eaton an Adriannas Stelle.
    »Und die Polizei läßt sie gewähren.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich auch nicht.«

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    Ein mit Brennholz beladener Kleinlastwagen ratterte an ihnen vorbei.
    Sobald die Straße wieder ruhig war, traten Harry und Herkules hinter einem Vorsprung der Vatikanmauer hervor, der ihnen Schutz ge-währt hatte.
    »Wissen Sie, wofür das Holz ist, Mr. Harry?« fragte Herkules flü-
    sternd. »Für die Pizzaöfen der ganzen Stadt. Pizza!« Er kniff grinsend ein Auge zusammen. Im nächsten Augenblick gab er Harry seine Krücken und drehte sich nach der Mauer um. »Heben Sie mich hoch.«
    Nach einem Blick die Straße entlang faßte Harry ihn um die Taille und stemmte ihn zu einem Sims in halber Höhe der Mauer hoch.
    Herkules reckte sich, bis seine Fingerspitzen den Vorsprung erreichten. Sekunden später balancierte er auf dem schmalen Sims.
    »Erst die Krücken, dann das Seil.«
    Sobald Herkules seine Krücken hatte, warf Harry ihm das Kletterseil hinauf. Herkules legte es sich um Brust und Schultern und ließ das freie Ende zu Harry hinunter.
    Harry ergriff es und spürte, wie das Seil sich straffte. Zehn Sekunden später war Harry die Mauer hinauf und stand auf dem Sims neben ihm.
    »Keine Beine, Mr. Harry, aber der Rest meines Körpers ist wie Granit, was?«
    »Die Sache macht Ihnen Spaß, glaube ich.« Auch Harry mußte unwillkürlich grinsen.
    »Wir versuchen, die Wahrheit zu finden. Und kein Ziel ist ehrenhafter, nicht wahr, Mr. Harry?« Aus seinem Blick sprachen die leid-vollen Erfahrungen eines ganzen Lebens. Dann sah er rasch zur Mauerkrone hinauf.
    »Sie müssen mir noch mal helfen, Mr. Harry. Dieses Mal wird es schwieriger. Sie lehnen sich mit dem Rücken an die Mauer und halten das Gleichgewicht, sonst landen wir beide unten.«
    Harry lehnte sich mit dem Rücken an die Mauer und achtete auf einen guten Stand.

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    »Los«, forderte Harry Herkules leise auf. Im nächsten Augenblick fühlte er Herkules’ Hände auf seinen Schultern, als der Zwerg sich an ihm hochzog. Dann streifte das zusammengerollte Seil seine Brust, und Herkules’ kraftlose Füße glitten an seinem Gesicht vorbei, bevor er plötzlich

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