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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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kein Gewicht mehr zu tragen hatte. Harry sah rasch auf. Über ihm kniete Herkules auf der Mauerkrone.
    »Krücken«, verlangte er.
    »Wie sieht es drüben aus?« Harry reichte sie nach oben.
    Herkules, der einen Arm durch die Krücken gesteckt hatte, sah auf der anderen Seite in die vatikanischen Gärten hinunter. Keine dreißig Meter von ihm entfernt ragte der St.-Johannes-Turm hinter einigen Bäumen auf. Herkules drehte sich um und reckte wortlos einen Daumen hoch.
    »Alles Gute!«
    »Wir sehen uns drinnen.« Herkules blinzelte ihm zu.
    Dann beobachtete Harry, wie der Zwerg das Seilende um einen Mauervorsprung schlang, seine Krücken an sich preßte und jenseits der Mauer verschwand.
    Harry zögerte noch einen Augenblick, bevor er nach einem Blick die Straße entlang von dem Sims sprang. Er kam hart auf, rollte sich über eine Schulter ab und war sofort wieder auf den Beinen. Nachdem er seine Jacke abgeklopft hatte, zog er seine schwarze Baskenmütze tiefer in die Stirn und ging rasch die Viale Vaticano entlang zurück. Er hatte Scalas Pistole im Hosenbund und Adriannas Mobiltelefon in der Tasche. Vor ihm zeichneten die Umrisse der Gebäude sich tiefschwarz vor dem blassen Blaugrau des heraufdämmernden Tages ab.

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    6.45 Uhr
    Thomas Kind, der wie einer von Farels Leuten einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd trug und sein schwarzgefärbtes Haar kurzgeschnitten hatte, lehnte am Geländer des Rundgangs um die mächtige Kuppel von St. Peter und blickte über Rom. Vor zwei Stunden hatte er erfahren, daß die kritische Situation in Peking bereinigt war, daß Li Wen und Chen Yin auftragsgemäß liquidiert worden waren.
    Den ersten Mordauftrag hatte der noch ahnungslose Chen Yin selbst ausgeführt; den zweiten hatte ein Kontaktmann in der nordko-reanischen Geheimpolizei mit guten Verbindungen zum chinesischen Ministerium für Staatssicherheit rasch und für teures Geld übernommen. Li Wen war auf einen Luftwaffenstützpunkt bei Peking gebracht worden, um dort verhört zu werden. Ein Agent war dafür bezahlt worden, daß er eine Tür offenließ und wegsah, als Chen Yin hereinkam. Chen Yin hatte seinen Auftrag ausgeführt und erwartet, anschließend unbehelligt davongehen zu können. In diesem Augenblick war der zweite Mordauftrag durchgeführt worden.
    Damit blieben nur noch Pater Daniel und seine Helfer übrig. Auf Palestrinas Befehl und mit Farels Zustimmung hatte Kind den größ-
    ten Teil des gestrigen Tages mit fünf Angehörigen der vatikanischen Vigilanza verbracht, die Farel selbst ausgesucht hatte. Auf den ersten Blick unterschieden diese Männer sich nicht von den übrigen Gardi-sten. Auch sie waren katholische Schweizer, aber damit endeten die Gemeinsamkeiten bereits. Während die anderen ehrenhaft aus der Schweizer Armee entlassen worden waren, stand in ihren Personal-akten nur der knappe Vermerk »militärische Erfahrung.« Drei von ihnen hatten in der Fremdenlegion gedient, die beiden anderen waren nach Strafverfahren wegen schwerer Körperverletzung aus der Schweizer Armee entlassen worden, einer sogar wegen versuchten Mordes. Dieser Mann war Anton Pilger. Alle fünf waren erst seit Jahresbeginn in die Vigilanza aufgenommen worden, so daß Thomas Kind sich unwillkürlich fragte, ob Palestrina die jetzigen Probleme vorausgesehen und deshalb solche Leute angefordert hatte. Jedenfalls 466
    war Kind gestern mit ihnen zusammengetroffen, hatte Fotos der Brü-
    der Addison verteilt und dem Quintett seinen Plan erläutert.
    Die Brüder würden nur herkommen, hatte er ihnen erklärt, um Kardinal Marsciano zu befreien. Deshalb wollte er den Turm aus der Ferne überwachen, damit die Brüder sich ihm auf beliebigen Wegen nähern konnten. Sobald sie im Vatikan waren, würde die Falle zuschnappen: Die Brüder würden auf der Stelle erschossen und ihre Leichen im Kofferraum einer neutralen Limousine zu einem Bauernhof außerhalb Roms gebracht werden. Dort würde die Polizei sie in ein bis zwei Tagen auffinden, von Unbekannten erschossen.
    Von seinem erhöhten Standort aus blickte Thomas Kind auf den noch menschenleeren Petersplatz hinunter. In ungefähr einer Stunde würden die ersten Besucher kommen. Danach wuchs ihre Zahl von Minute zu Minute, weil Menschen aus aller Welt zusammenströmten, um den Platz und die altehrwürdige Kirche zu besichtigen. Eigentlich merkwürdig, sagte er sich, wieviel ruhiger, vernünftiger und weniger verzweifelt er sich fühlte, seit er hier oben stand. Vielleicht ging von St. Peter

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