Des Teufels Kardinal
Uhr fünfundvierzig aus dem Turm und spätestens um zehn Uhr fünfundfünfzig im Waggon sein muß, weil der Bahnhofsvorsteher und ein bis zwei seiner Leute hinausgehen werden, um sich davon zu überzeugen, daß das Tor sich richtig öffnet.«
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Danny tippte wieder auf den Plan. »Was tut ihr, wenn irgend jemand – Farels Männer, Thomas Kind, höhere Gewalt – euch daran hindert, der Mauer zu folgen? Ihr folgt dem Weg, der geradeaus durch die vatikanischen Gärten führt. Sobald ihr nach einigen hundert Metern das Sendegebäude von Radio Vatikan seht, biegt ihr rechts ab. So erreicht ihr die Viale del Collegio Etiopico und die Mauer oberhalb des Bahnhofs, der ihr etwa dreißig Meter weit folgt, um die Gleise zu erreichen. Dort steht dann der Güterwagen zwischen Bahnhof und Kehrtunnel vor euch.
Seht zu, daß ihr auf die der Viale abgewandte Seite des Waggons kommt. Dahinter befinden sich nur weitere Gleise und eine Mauer.
Ihr zieht die Schiebetür auf, was Kraft kosten wird, weil sie alt und rostig ist, und klettert in den Wagen. Dann schließt ihr die Tür und wartet auf die Rangierlok. Noch Fragen?«
Danny sah sich nochmals um, und Harry mußte seine Haltung, seine Präzision und Konzentration bewundern. Die bisherige Melancho-lie war von ihm abgefallen. Er war ganz Offizier, der mit seinen Männern ein schwieriges Unternehmen besprach.
»Ich muß mal pissen«, sagte Herkules. Er stand auf, griff sich seine Krücken und verschwand nach draußen.
Harry grinste unwillkürlich. Das war wieder mal typisch Herkules: schroff, manchmal witzig und immer geschäftsmäßig, worum es auch gehen mochte. Sobald die Kriminalbeamten gegangen waren, hatte Herkules Harry völlig perplex angeschaut und sich erkundigt:
»Was hat das alles eigentlich zu bedeuten?«
Harry hatte ihm in Dannys und Elenas Anwesenheit nüchtern er-klärt, Kardinal Marsciano werde als Opfer einer Verschwörung gegen seinen Willen im Vatikan festgehalten und irgendwann ermordet, wenn sie ihn nicht herausholten. Dazu brauchten sie einen Mann, der unbeobachtet in den Turm gelangen konnte. Dieser Mann, so hofften sie, würde Herkules sein. Das war auch der Grund für das Kletterseil. Abschließend hatte Harry ihm offen erklärt, daß er sein Leben riskierte, wenn er mit ihnen gemeinsame Sache machte.
Herkules hatte sekundenlang mit ausdrucksloser Miene dagesessen und ins Leere gestarrt. Dann hatte er langsam von einem zum anderen gesehen und schließlich ein breites Grinsen aufgesetzt.
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»Welches Leben?« hatte er laut und mit blitzenden Augen gefragt.
Und seit diesem Moment war er einer von ihnen.
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23.30 Uhr
Scala trat aus seinem Wohnhaus, sah sich kurz um und ging dann zu einem neutralen weißen Fiat. Nachdem er sich erneut umgeschaut hatte, stieg er ein, ließ den Motor an und fuhr davon.
Fast gleichzeitig fuhr hundert Meter hinter ihm ein dunkelgrüner Ford an. Eaton saß am Steuer, Adrianna Hall neben ihm. Sie bogen an der Via Marmorata links ab und folgten Scala bei schwachem Verkehr zur Piazza dell’Emporio und dann auf dem Ponte Sublicio über den Tiber. Ab dort blieben sie im Verkehr etwas weiter hinter ihm zurück, während er auf dem Westufer des Flusses nach Norden fuhr. Einige Minuten später bog Scala im Stadtteil Gianicolo nach Westen ab, um dann auf der Viale delle Mura Aurelie weiter nach Norden zu fahren.
»Er will sichergehen, daß er nicht beschattet wird.« Eaton ließ den Ford hinter einen silbergrauen Opel zurückfallen, um die Entfernung zu Scalas Fiat etwas zu vergrößern.
Daß der römische Kriminalbeamte Adrianna plötzlich Informationen verweigert hatte, war ein deutlicher Hinweis darauf, daß wichtige Dinge unbedingt geheimgehalten werden sollten. Scalas plötzliche Schweigsamkeit war untypisch. Schließlich hatte er selbst Adrianna den Tip gegeben, Pater Daniel werde in Bellagio vermutet, womit er ihr noch vor wenigen Tagen bewiesen hatte, daß sie weiterhin sein Vertrauen genoß. Seine bewußten Ausweichmanöver paßten jetzt nur allzu gut zu einer ganzen Serie von Ereignissen, die darauf hinwie-sen, daß die Dinge im Vatikan sich kritisch zuspitzten. Zum Beispiel war da die plötzliche geheimnisvolle Erkrankung Kardinal Marscianos, der am vergangenen Dienstag die Chinesische Botschaft bei offenbar guter Gesundheit verlassen hatte. Selbst ihre vereinten Be-mühungen hatten nicht mehr zutage gefördert als die amtliche Pressemitteilung des Vatikans, die besagte, er sei erkrankt und befinde
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