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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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Harry nie verstanden. Kein Wunder, denn damals hatten sie kaum mehr miteinander gesprochen. Aber als er jetzt die angestrahlte Kuppel des Petersdoms betrachtete, mußte er sich fragen, ob es dort drüben im Vatikan etwas gab, das Danny dazu gebracht hatte, ihn anzurufen, und ihn anschließend in den Tod getrieben hatte.
    Vor wem oder was hatte er sich so gefürchtet? Und woher war diese Angst gekommen? Im Augenblick schien der Schlüssel zu allem das Busattentat zu sein. Falls es der Polizei gelang, die Hintergründe aufzuklären, würde sie wissen, ob das Attentat Danny gegolten hatte.
    Hatte es ihm gegolten und wußte die Polizei, wer es verübt hatte, waren sie alle einer Erkenntnis, von der Harry innerlich noch immer überzeugt war, einen großen Schritt näher: nämlich daß Danny das schuldlose Opfer einer Verschwörung geworden war.
    Er glaubte nochmals, die Angst in der Stimme seines Bruders zu hören.
    Ich hab’ Angst, Harry… Ich weiß nicht, was ich tun soll… oder was als nächstes passieren wird. Gott steh mir bei!

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    22.30 Uhr
    Harry schlenderte die Via Condotti entlang bis zur Via Corso und darüber hinaus. Da er spürte, daß er keinen Schlaf finden würde, machte er einen Schaufensterbummel und ließ sich in der um diese Zeit noch zahlreich flanierenden Menge ziellos treiben. Bevor er das Hotel verlassen hatte, hatte er mit Byron Willis in L. A. telefoniert, ihm von seiner Begegnung mit Farel erzählt, ihn vor einem möglichen Besuch von FBI-Agenten gewarnt und zuletzt eine sehr persönliche Frage mit ihm besprochen: wo Danny beigesetzt werden sollte.
    Dieses Problem, über das Harry im allgemeinen Trubel bisher nicht nachgedacht hatte, war aufgetaucht, als Pater Bardoni, der junge Geistliche, den er in Dannys Wohnung kennengelernt hatte, angerufen und ihm mitgeteilt hatte, Pater Daniel habe offenbar kein Testament hinterlassen und der Direktor des hiesigen Bestattungsunternehmens müsse seinem Kollegen in der amerikanischen Stadt, in der Danny beigesetzt werden solle, mitteilen, wann und wo die Leiche abgeholt werden könne.
    »Wo hätte er bestattet werden wollen?« hatte Byron Willis zurückhaltend gefragt. Und Harry hatte nur antworten können: »Das weiß ich nicht.«
    »Habt ihr ein Familiengrab?« hatte Willis weitergefragt.
    »Ja«, hatte Harry gesagt. In Bath, ihrer Heimatstadt in Maine. Auf dem kleinen Friedhof über dem Kennebec River.
    »Hätte er dort liegen wollen?«
    »Byron, das weiß ich nicht.«
    »Harry, ich würde dir diese Sorge gern abnehmen, aber das kannst nur du entscheiden.«
    Harry hatte zugestimmt, sich bei ihm bedankt und war anschlie-
    ßend ausgegangen. Verwirrt, nachdenklich, sorgenvoll, sogar in peinlicher Verlegenheit. Obwohl Byron Willis sein bester Freund war, hatte Harry ihm gegenüber seine Familie nie mehr als nur sehr flüchtig erwähnt. Byron wußte nur, daß Harry und Danny in einer kleinen Hafenstadt in Maine aufgewachsen waren, daß ihr Vater 58
    Werftarbeiter gewesen war und daß Harry sich mit siebzehn Jahren durch ausgezeichnete Noten ein Harvardstipendium verdient hatte.
    Tatsächlich erzählte Harry keinem Menschen etwas von seiner Familie. Nicht Byron, nicht seinen Kommilitonen, nicht Frauen, niemandem. Niemand wußte von dem tragischen Unfalltod seiner Schwester Madeline. Oder daß sein Vater kaum ein Jahr später auf der Werft tödlich verunglückt war. Oder daß seine Mutter in ihrer Einsamkeit und Verwirrung keine zehn Monate danach wieder geheiratet hatte, worauf sie alle in ein düsteres viktorianisches Haus gezogen waren, das einem verwitweten Vertreter für Tiefkühlkost gehör-te. Der hatte selbst fünf kleine Kinder, war nie zu Hause und hatte nur geheiratet, um eine Haushälterin und Babysitterin zu haben. Oder daß Danny später als Jugendlicher immer wieder mit der Polizei zu tun gehabt hatte.
    Oder daß die beiden Brüder einen Pakt geschlossen hatten, sie würden einander helfen, das Haus ihres Stiefvaters so früh wie möglich zu verlassen, die Trübseligkeit dieser langen Jahre hinter sich zu lassen und fortzugehen, um nie zurückzukommen. Und wie sie das auf unterschiedlichen Wegen tatsächlich geschafft hatten.
    Wie zum Teufel konnte Harry, der sich an das alles erinnerte, Byron Willis’ Vorschlag aufgreifen und Danny im Familiengrab beisetzen? Wäre er nicht schon tot gewesen, hätte ihn das umgebracht!
    Was sollte Harry also morgen dem Direktor des Bestattungsunternehmens sagen, wohin die Leiche von New York aus

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