Des Teufels Kardinal
hergegangen und hätte ihre Einkäufe getragen. Aber nicht heute, nicht in Cortona bei hellem Sonnenschein.
Auch wenn sie miteinander wegfahren würden, mußten sie vermei-den, gemeinsam einzukaufen oder zu zweit durch die Straßen zu gehen. Daran konnte jemand sich später erinnern. Gewiß, sie waren Italiener, aber in Cortona trotzdem fremd – eine Nonne und ein Mann, die offenbar zusammengehörten, die gemeinsam einkauften und ihre Einkäufe zum Auto trugen. Wieso?
Was hatten die beiden miteinander zu tun? Das genügte, damit spä-
ter jemand sagen konnte: »Ja, sie sind hiergewesen. Ich habe sie gesehen.«
Marco, der Elena mit einigem Abstand folgte, sah sie stehenblei-ben, sich kurz umsehen und dann einen kleinen Laden betreten. Er blieb ebenfalls stehen und fragte sich, was sie dort kaufen wollte.
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Über die links von ihm steil abfallende enge Straße konnte er auf die weite Ebene mit den Straßen hinausblicken, die zu der alten, von Mauern umgebenen umbrischen und etruskischen Stadt hinaufführten, in der er jetzt stand. Früher war Cortona eine Festung gewesen.
Marco konnte nur hoffen, daß er es nicht wieder in eine würde verwandeln müssen.
Als er wieder zu dem Laden hinübersah, kam Elena heraus, blickte kurz in seine Richtung und ging dann zu ihrem Auto weiter. Kurz danach erreichte sie den kleinen silbergrauen Fiat, den Pietro gefahren hatte, als er ihnen von Pescara aus nach Norden gefolgt war.
Marco ließ noch einige Passanten vorbeigehen, bevor er Elena die Beifahrertür aufsperrte und ihre Einkäufe auf dem Rücksitz verstaute.
»Wozu sind Sie in dem anderen Laden gewesen?« fragte er, als sie wegfuhren.
»Ist das etwa verboten?«
»Natürlich nicht. Ich bin nur nicht darauf vorbereitet gewesen.«
»Ich auch nicht, deshalb bin ich hineingegangen.« Sie zog eine Schachtel aus der Plastiktüte auf ihrem Schoß: Slipeinlagen.
Um elf Uhr kochten die Suppe und ein Gemüsebrei in der Küche auf kleiner Flamme, und Elena war bei Michael Roark in seinem Zimmer im ersten Stock. Er saß durch zwei Kissen unter den Armen gestützt erstmals aufrecht in einem Sessel. Marco hatte ihr geholfen, ihn aus dem Bett in den Sessel zu heben, und war dann hinausgegangen, um im Freien eine Zigarette zu rauchen. Über ihnen schlief Lu-ca in einem der Zimmer im zweiten Stock. Wie im Krankenhaus in Pescara tat er hier Nachtdienst, saß von dreiundzwanzig bis sieben Uhr draußen im Krankenwagen und kam alle zwei Stunden herauf, um Elena zu helfen, ihren Patienten umzudrehen. Dann ging er wieder hinunter, um Wache zu halten.
Weshalb? Wogegen? fragte sie sich wieder. Wie sie sich von Anfang an über das teilweise unerklärliche Verhalten der Männer ge-wundert hatte.
Vom Fenster aus konnte sie Marco sehen, der auf der Umfas-sungsmauer, die das Grundstück nach Süden abschloß, rauchend auf und ab ging. Hinter der Mauer verlief die Straße, die zum Tor und 192
der Zufahrt zum Haus führte. Jenseits dieser Straße lagen die Felder eines großen Guts, so weit das Auge im Sommerdunst reichte. Ein Traktor, der einen Streifen Land hinter der Casa Alberti pflügte, zog eine Staubwolke hinter sich her.
Plötzlich tauchte Pietro unter den Zypressen im Park der Villa auf und ging auf Marco zu. Er hatte sein Hemd wegen der Hitze aufgeknöpft und trug keine Jacke, so daß die Pistole in seinem Hosenbund deutlich sichtbar war. Jetzt blieb er bei Marco stehen, und die beiden redeten miteinander. Im nächsten Augenblick sah Marco zur Rückseite des Hauses hinüber, als wisse er, daß sie beobachtet wurden.
Elena drehte sich nach Michael Roark um. »Sitzen Sie bequem?«
fragte sie.
Er nickte kaum merklich. Aber das war immerhin eine deutliche Reaktion, viel dynamischer als das Blinzeln, mit dem er bisher geantwortet hatte, wenn sie seine Daumen oder Zehen berührt hatte, um sich davon zu überzeugen, daß seine Nerven funktionierten und diese Reize weiterleiteten.
»Ich habe Ihnen eine Suppe gekocht. Wollen Sie versuchen, ein paar Löffel davon zu essen?«
Diesmal kam keine Reaktion. Er saß nur da und erwiderte stumm ihren Blick, bevor er zum Fenster hinübersah. Elena beobachtete ihn aufmerksam. Vor dem hellen Fensterrechteck war sein Kopf trotz des Verbands in einem Profil zu sehen, das sie noch nicht kannte. Sie zögerte, musterte ihn erneut und verschwand dann in der abgetrennten Nische, in der ihr Bett stand.
Gewiß, sie war in den Laden gegangen, um Slipeinlagen zu kaufen.
Aber das war nur eine Ausrede
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