Des Teufels Kardinal
selben Zeit gemacht worden waren.
»Hier, das gehört noch dazu.« Adrianna Hall legte einen Briefumschlag auf den Tisch. »Du findest darin auch Geld. Zwei Millionen Lire, ungefähr zwölfhundert Dollar. Du kannst jederzeit mehr haben, aber Eaton hat gesagt, ich soll dich warnen. Priester sind nicht reich, deshalb mußt du dich mit dem Geldausgeben zurückhalten.«
Harry nickte, dann öffnete er den Briefumschlag und nahm den Inhalt heraus: zwei Millionen Lire in Fünfzigtausendern und ein eng-beschriebenes Blatt Papier mit drei einzeilig getippten Absätzen.
»Auf dem Blatt steht, wer du bist, wo du arbeitest, was du tust und so weiter«, erklärte Adrianna ihm. »Jedenfalls genug, damit du Fragen nach deinen persönlichen Lebensumständen beantworten kannst.
Du sollst dir die Angaben einprägen und das Blatt dann vernichten.«
Harry Addison war jetzt Pater Jonathan Arthur Roe, SJ, als außerordentlicher Professor Mitglied der juristischen Fakultät der Georgetown University. Er wohnte in einem den Jesuiten gehörenden Ge-bäude auf dem Universitätsgelände und lehrte dort seit 1994. Aufgewachsen war er als Einzelkind in Ithaca, New York. Seine Eltern 186
waren beide schon gestorben. Der letzte Absatz enthielt Hintergrund-informationen: welche Schulen und Universitäten er besucht hatte und Angaben über die Georgetown University und den Stadtteil Georgetown bis hin zu dem Detail, daß er von seinem Fenster aus den Potomac River sehen konnte – aber nur im Herbst und Winter, wenn die Bäume kein Laub trugen.
Dann kam Harry zu dem letzten Punkt und sah zu Adrianna auf.
»Als Jesuit scheine ich ein Armutsgelübde abgelegt zu haben.«
»Vermutlich hat Eaton dir deshalb keine Kreditkarte gegeben…«
»Vermutlich.«
Harry wandte sich ab und trat ans Fenster. Eaton hatte ihm wie versprochen alles geliefert, was er für seine neue Rolle brauchte. Nun brauchte Harry nur noch den Rest zu erledigen.
»Das erinnert an Theateraufführungen in der Schule, nicht wahr?«
Er drehte sich um. »Man schlüpft in eine völlig neue Rolle.«
»Viel anderes bleibt dir nicht übrig.«
Harry betrachtete sie forschend. Er hatte eine Frau vor sich, die er kaum kannte, obwohl er mit ihr geschlafen hatte. Und abgesehen von einem Augenblick, in dem er gespürt hatte, daß ein Teil ihres Ichs sich vor der eigenen Sterblichkeit fürchtete, kannte er die Fernseh-journalistin Adrianna Hall, das merkte er jetzt, fast besser als diese Frau, die hier mit ihm im Zimmer war.
»Wie alt bist du, Adrianna? Vierunddreißig?«
»Ich bin siebenunddreißig.«
»Also, siebenunddreißig. Wenn du jemand anders sein könntest«, fragte er ernsthaft, »wen würdest du dir aussuchen?«
»Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.«
»Los, versuch’s einfach! Wer möchtest du sein?«
Sie verschränkte plötzlich die Arme. »Ich möchte niemand anders sein. Mir gefällt, wer ich bin und was ich tue. Und ich habe verdammt hart gearbeitet, um das zu erreichen.«
»Ehefrau? Mutter?«
»Soll das ein Witz sein?« Ihr halblautes Lachen war spöttisch und zugleich defensiv, als habe er einen empfindlichen Nerv getroffen.
Er ließ nicht locker. Das war vielleicht unfair, aber aus irgendeinem Grund wollte er mehr über sie erfahren.
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»Viele Frauen haben beides, Beruf und Familie.«
»Diese Frau nicht.« Adrianna ließ sich nicht beirren, wurde eher noch ernster. »Ich habe dir ja gesagt, daß es mir Spaß macht, mit Unbekannten ins Bett zu gehen. Weißt du, warum? Das ist nicht nur aufregend, sondern bedeutet totale Unabhängigkeit. Und für mich ist das die wichtigste Sache im Leben, denn nur so kann ich erstklassige Reportagen abliefern und alles tun, was notwendig ist, um meinen Storys auf den Grund zu gehen. Glaubst du, daß ich als Mutter unter Artilleriebeschuß auf irgendeinem beschissenen Feld stehen und über irgend jemandes Bürgerkrieg berichten möchte? Oder ein näherlie-gendes Beispiel: Daß ich eine langjährige Haftstrafe in italienischen Gefängnissen riskieren würde, weil ich dem meistgesuchten Verbrecher des Landes falsche Papiere besorgt habe? Nein, Harry Addison, das täte ich nicht, weil ich das Kindern niemals antun würde. Ich bin eine Einzelgängerin, der ihr Leben gefällt. Ich verdiene gut, schlafe, mit wem ich will, mache Reisen, von denen selbst du nur träumen kannst, und habe Zugang zu Leuten, an die sogar die Mächtigen der Welt nur schwer herankommen. Ist das egoistisch? Ich weiß überhaupt nicht, was
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