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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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friedliches Eremitendasein geführt – bis zu jenem Tag, als sich die Operndirektion entschieden hatte, »Tristan und Isolde« aufzuführen und die damals blutjunge Helena Bavorova als Isolde zu engagieren. Unglücklicherweise hatte an der Seite der unnachahmlichen Bavorova ein mehr als mittelmäßiger Tristan gespielt. Die Harpyie, eine kunstsinnige Person, deren größtes und einziges Vergnügen es gewesen war, den Proben und Vorstellungen zu lauschen, hatte es als Frevel angesehen, einen so unerfreulichen Sänger neben der Bavorova agieren zu lassen. Und so hatte sie beschlossen, einzuschreiten. Während einer Probe hatte sie sich auf den Tristan gestürzt, wohl in der Absicht, ihn von der Bühne zu jagen. Unzählige Menschen, auf der Bühne, in den Kulissen, auch im Zuschauerraum, waren zugegen gewesen, als der Angriff erfolgt war. Bis die Centrale davon in Kenntnis gesetzt worden und Felix eingetroffen war, war die Harpyie kreischend durch die Oper geflattert; und auch dann hatte es noch einige Zeit in Anspruch genommen, sie einzufangen. Jede einzelne Person, die sich zu jenem Zeitpunkt im Opernhaus aufhielt, musste die Harpyie zu sehen bekommen haben – und dennoch war etwas Erstaunliches geschehen: Ungeachtet der Tatsache, dass etliche der Anwesenden die menschlichen Gesichtszüge der Harpyie erblickt hatten,
ihre Schmähungen gehört haben mussten, hatte man sich später erzählt, es hätte sich um einen entkommenen Raubvogel, einen Falken vielleicht oder einen Adler gehandelt. Denn ein Adler in der Oper mochte zwar ungewöhnlich gewesen sein, aber noch lange kein Grund, die eigene geistige Gesundheit zu überdenken, oder gar die Grenzen der Realität neu abzustecken. Man hatte nur gesehen, was man sich zu sehen erlaubt hatte. So war es bequemer gewesen.
     
    Ich blieb verständnislos in der Tür zur Bibliothek stehen. »Ist die Geschichte denn von Relevanz?«, fragte ich.
    Felix’ Antwort war dünn und kühl. »O ja. Weil du einen Adler gesehen hast, als du meintest, ich würde der Trubic’schen Ahnengalerie ähneln.«
     
     
    Dann hielt ich die Photographie des verstorbenen Grafen Jindřich von Trubic in den Händen: ein gut aussehender junger Mann, schlank, mit hellem Haar und lächelnden Augen. Ungezwungen lag er in einem Fauteuil, die zerknüllten Handschuhe auf dem Knie. Inzwischen hatte ich begriffen, worauf Felix hinauswollte, und dennoch glaubte ich, Ähnlichkeiten zwischen ihm und seinem angeblichen Vater zu finden.
    »Jindřich war achtzehn gewesen, als er meine Mutter geheiratet hatte. Klug, zuvorkommend, von altem Adel, war er ein guter Fang für eine kleine Baronesse gewesen. Zu Beginn wenigstens war es eine glückliche Verbindung gewesen, die nur ein kleiner Schönheitsfehler getrübt hatte: Auch nach Jahren der Ehe hatte sich kein Kindersegen eingestellt.«
    Unvermittelt nahm mir Felix die Porträtphotographie weg, platzierte sie sorgsam auf dem Couchtisch vor uns. »Jindřich hatte das als äußerst peinliche körperliche Unzulänglichkeit seinerseits gesehen. Er hatte mehrere Ärzte aufgesucht und
meine Mutter gedrängt, es ihm gleichzutun. Die Ärzte hatten beiden attestiert, dass sie vollkommen gesund wären. Dennoch, viele Jahre sind mittlerweile verstrichen gewesen. Tratsch und böses Blut waren aufgetaucht. Jindřich, ein liebenswerter, doch labiler Charakter, hatte sich dem Druck nicht länger gewachsen gefühlt: Das Haus Trubic hatte einen Erben benötigt, und der Zweck hatte ihm die Mittel geheiligt.«
    Felix fixierte mich jetzt. Ich hielt seinem Blick stand.
    »Jindřich hat meine Mutter gebeten, doch einen ihrer zahlreichen Verehrer zu erhören.«
    Er seufzte schwer, strich mit dem Zeigefinger über den Rahmen der Photographie. »Den Tagebüchern zu entnehmen hatte es furchtbaren Streit gegeben. Mutter hatte es menschenverachtend gefunden, was ihr geliebter Gemahl da von ihr verlangt hatte. Dennoch hatte sie sich schließlich seinem Ansinnen gefügt – unter der Bedingung, dass er selbst sich ihr niemals wieder in intimer Weise nähern würde. Beide hatten sie die Familienehre – oder besser, was sie dafür gehalten hatten  – über jeglichen guten Geschmack gestellt. Die Wahl meiner Mutter war pikanterweise auf einen guten Freund meines Vaters gefallen. Jindřich hatte seinen Namen nicht genannt, ihn aber als ›charmant, elegant, weltgewandt‹ und viel zu alt für meine Mutter bezeichnet. Du wirst verstehen, weshalb ich nicht sonderlich darauf erpicht bin, dass

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