Des Teufels Maskerade
und hastete ins Freie. Erst als ich mir einen Wagen nehmen wollte, bemerkte ich, dass ich mein Portemonnaie nicht bei mir trug, doch ich eilte weiter. Verschwitzt und außer Atem kam ich beim Palais Trubic an, meine angeschlagene Konstitution verfluchend.
Der Graf Trubic sei nicht zu sprechen, informierte mich ein Diener, der endlich, nach mehrmaliger Betätigung der Klingelschnur aufgetaucht war. Er betrachtete mich aus müden Augen, und es war ihm anzusehen, dass ihm mein unkonventionelles Erscheinungsbild missfiel, auch wenn ich vermutete, dass ein Angestellter im Hause Trubic an sonderbarere Auftritte gewöhnt war.
Ich sah auf die Uhr (noch nicht einmal acht) und gab jeglichen
Anspruch auf Manieren auf. »Melden Sie mich an«, befahl ich. »Es ist mir gleich, was er tut, es ist mir gleich, ob Sie ihn wecken. Ich muss den Herrn Grafen unverzüglich sprechen.«
Kaum eine Viertelstunde später empfing mich Felix in der Bibliothek, wo er im Hausmantel, rauchend – wie konnte es anders sein – auf dem Sofa lag, die Morgenausgaben sämtlicher in Prag verfügbarer Zeitungen um sich verstreut.
»Dejan, dir ist Furchtbares widerfahren, ich sehe es dir an!«, grüßte er mich munter. Offensichtlich hatte er sich von den Nachwirkungen seines gestrigen Ausflugs ins Reich der Zauberei gut erholt.
»Ich muss mit dir über die Tagebücher deines Vaters sprechen«, teilte ich ihm kühl mit, während ich mich in einem der Polstersessel niederließ. »Du sagtest, du könntest dich an keine einzelne Begebenheit mehr erinnern. Wirklich nicht? Gibt es denn nichts, wovon du mir en detail erzählen könntest?«
»Eine Begebenheit en detail«, wiederholte er langsam. »Schon gut, Dejan. Kein Grund, mich zum Narren zu halten.« Felix legte seine Zigarette ab und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. »Du weißt, dass Freundespflicht gebietet, mir zu verraten, wie du es herausgefunden hast. Nur damit ich mich wappnen kann«, sagte er leichthin und gab mir damit zu verstehen, dass ich einen Treffer gelandet hatte, dass eine weitere von Felix’ Lügen zerbrochen war. Würde einst der Tag kommen, an dem er demaskiert und bloß vor mir stand? Würde ich ihn dann noch wiedererkennen?
Müßige Gedanken. Ich schob sie beiseite: »Nenn es Intuition.«
»Intuition, ich bitte dich. So etwas erfährt man nicht durch Intuition, sondern durch bösen Klatsch.« Er klang bitter. »Wer
wagt es, den guten Namen meiner Familie, ganz zu Recht in den Schmutz zu ziehen?«
»Ich weiß es nicht«, gestand ich.
»Du weißt nicht, wer dir davon erzählt hat?« Felix blieb argwöhnisch.
Ich hob die Hände. »Ich weiß nicht, wovon wir reden! Ich weiß nur, dass du aus irgendeinem Grund partout nicht auf den Inhalt der Tagebücher eingehen wolltest. Und das gab mir zu denken.«
Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte es mich amüsiert, Felix Trubic sprachlos, erschrocken zu erleben. Heute war es mir ein bitterer Triumph.
Bis der Diener, der in jenem Moment die Bibliothek betrat, das Kaffeegeschirr aufgedeckt und sich wieder entfernt hatte, war es Felix gelungen, seine Haltung zurückzugewinnen. »Träume ich, oder habe ich gerade den trivialsten aller möglichen Anfängerfehler begangen?«, fragte er mich leise.
»Du träumst nur«, antwortete ich, ebenfalls mit gesenkter Stimme.
»Exzellent. Dann werde ich bedenkenlos meine Beichte ablegen. Träume schließlich sind frei von Konsequenzen.«
Ich verstand. Ein Zwinkern, ein Lächeln – der Pakt war geschlossen.
»Schau sie dir an. Schau sie dir gut an«, sagte Felix. Wir standen im Paradezimmer im ersten Stock vor der Wand mit den Porträts lange verschiedener Vorfahren des gegenwärtigen Grafen Trubic.
»Die Hochmut im Blick, das muss eine Familieneigenschaft sein«, teilte ich ihm erneut meine Beobachtung von vorgestern mit. »Und jene Dame dort, gleich bei der Tür, lächelt gerade so wie du.«
Felix strich die Schöße seines Hausmantels glatt. »Du erinnerst dich an die Geschichte von der Harpyie in der Wiener Oper?«, wollte er reichlich zusammenhangslos wissen, als er mich wieder nach oben, in die Bibliothek geleitete.
Ich seufzte. In den Tagen unsere eigentümlichen Freundschaft war ich mindestens ein Dutzend Mal in den Genuss dieser seiner Lieblingsanekdoten gekommen.
Ungefähr ein Jahr, bevor das Schicksal uns beide in Mostar zusammengeführt hatte, hatte sich Felix mit besagter Harpyie zu befassen. Jene hatte im Dachgeschoss der Wiener Oper ein
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