Des Teufels Maskerade
und Mirko in der Küche bei Pavel vorfand, der sie mit gewichtiger Miene ein Brettspiel zu lehren versuchte, dessen Regeln sich meinen beiden Kameraden offenkundig noch nicht zur Gänze erschlossen hatten.
»Wir werden Nemec noch einen Besuch abstatten«, verkündete ich statt eines Grußes. Die mannigfaltigen Fragen und Vermutungen in ihren Gesichtern ignorierte ich. Lysander stieß mit der Schnauze eine Spielfigur zwei Felder weiter, was Mirko zu einem verärgerten Grunzen veranlasste, und sah mich sodann aufmerksam schnuppernd an.
Rasch wandte ich mich ab; ich wusste selbst, dass ich nach Esthers Parfüm und Felix’ Zigaretten roch, doch ich sah keinen Grund, diese Information auch mit Pavel und Mirko zu teilen.
Letzterer rutschte von seinem Schemel, murmelte Unverständliches gen Küchenboden.
»Heute Morgen, bei seinem Rundgang durch die Kaffeehäuser, hat er eine Antwort auf seine Fuchszeichnungen erhalten«, übersetzte mir Lysander, woraufhin Mirko bis zum Haaransatz errötete.
»Im Goldenen Stern, gleich hinter der Universitätsbibliothek, hat jemand das hier an die Wand gehängt.« Umständlich zog Mirko ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus seinem Jackett.
»Jener perfide Gauner, der sich am Abend des 22. Juni 1909 sämtlicher Asse aus unseren Karten bemächtigt hat, möge diese postwendend retournieren, will er nicht unseren furchtbaren Zorn auf sich ziehen. Hochachtungsvoll, der Achtertisch «, stand mit Bleistift auf den billigen Briefbogen gekritzelt. Aus der linken Ecke glotzte mir einer von Mirkos scheußlichen Füchsen entgegen. Darunter wiederum hatte jemand in geschwungener Schönschrift zwei Worte geschrieben: »Armer Trottel«.
Anstand gebot, mir ein Grinsen zu verbeißen, als ich Mirko den Zettel zurückgab. »Selbstverständlich hat niemand gesehen, wer dir dieses wenig schmeichelhafte Charakterurteil übermitteln wollte, nicht wahr?«, erkundigte ich mich.
Mirko nickte beklommen.
Armer Trottel, in der Tat. Wer immer sich auch im Namen des Fuchses verschworen haben mochte, sie kannten mich, sie kannten Lysander – und nun auch Mirko. Wollten wir jemals noch mit ihnen in Berührung kommen, so würden wir nun der Hilfe eines Außenstehenden bedürfen.
Rasch schrieb ich eine kurze Note, in der ich Dr. Rosenstein um eine Telephonchiffre bat, unter der ich ihn erreichen konnte; damit schickte ich Pavel zur Post, ehe ich mich, am Rand der völligen Erschöpfung, in mein Schlafzimmer zurückzog.
Lysander gestand mir nur ein paar Stunden Ruhe zu, dann weckte er mich voller Tatendrang. Während ich mich ankleidete, nutzte ich die Zeit, um ihm die nötigsten Details meiner morgendlichen Unterredung mit Felix darzulegen – selbstredend ohne auf die jüngere Trubic’sche Familiengeschichte einzugehen.
»Und wir ziehen los, um Milan Trubics Dienste am Kaiserreich zu ergründen?«, vergewisserte er sich nun. »Dann wage ich die kühne Vermutung, dass Nemec seine Freude mit uns
haben wird! Manchmal glaube ich, der gute Junge schätzt den gepflegten historischen Plausch sogar noch mehr als ich.«
»Füchse hab’ ich heute noch keine gesehen, Herr Baron!« Nemec, einen Stapel ältlicher Bücher in unterschiedlichen Stadien des Zerfalls vor sich hertragend, trat aus dem winzigen Hinterzimmer, das er gern als »das Lager« zu benennen pflegte. Mit einer raschen Geste gebot ich ihm, seine Lautstärke zu mäßigen, zumal die Tür wegen der Sommerhitze einen Spalt geöffnet blieb, und sich draußen eine farblose Gestalt die Bücher im Schaufenster besah.
»Heute muss ich Sie tatsächlich mit einer weiteren Frage behelligen«, eröffnete ich das Gespräch. Ich setzte Lysander auf dem Verkaufspult ab, was den Buchhändler dazu veranlasste, hastig eine ausgesprochen unansehnliche Miniatur aus dem Verkehr zu ziehen.
»Zu Diensten, Baron«, murmelte er dabei.
»Was können Sie mir über Milan, den ersten Graf Trubic erzählen?« , erkundigte ich mich schließlich.
Nachdenklich strich sich Nemec den Backenbart. »Den Ahnen von unserem Graf Trubic, meinen’S wohl? Warten’S, lassen’S mich nachdenken. Ein Marschall vom Kaiser Rudolf war er, an sich ein verarmter Baron. Wegen militärischer Verdienste dürft’ der Kaiser ihn zum Grafen gemacht haben …«
An dieser Stelle stieß Lysander ein schrilles Pfeifen aus.
Nemec runzelte hoch konzentriert die Stirn. »Wobei Ihr Otter da schon Recht hat mit seinem Einwand, Herr Baron. Große militärische Triumphe, wo aus einem Baron
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