Des Teufels Maskerade
zuletzt wissen.
Der Junge biss sich auf die Lippen, senkte beschämt den Kopf. Einmal noch in dem Alter sein, wo man sich den Luxus leisten konnte, sich Fehler und Beleidigungen zu Herzen zu nehmen!
»Schauen Sie«, setzte ich sanfter hinzu, da ich nunmehr befürchtete, ihn mit meinem schroffen Gehaben vollends eingeschüchtert zu haben. »Warum sekkieren Sie denn den armen Mann, wenn er doch keine Ahnung hat? Sie werden doch Professoren, Kameraden oder ein Elternhaus haben, die Sie mit historischen Feinheiten bestürmen können, nicht wahr?«
Mein umgänglicher Ton schien den Jungen endlich zu ermutigen, ein wenig mehr von seiner sonderbaren Queste preiszugeben. »Es gibt ein geflügeltes Wort unter meinen Schulkameraden: Alles, was sonst keiner weiß, erführe man vom Antiquar Nemec«, erklärte er mir, während er verstohlen sein Portemonnaie in der Tasche verstaute.
»Ach«, sagte ich. »Und mit der Fuchssymbolik verhält es sich ebenso? Wie sonderbar.«
»Sie wissen um ihre Bedeutung?«, fragte er, halb skeptisch, halb hoffnungsvoll.
»Nun, gewissermaßen«, antwortete ich, darauf bedacht, mir meine Erregung über diese Wendung der Dinge nicht anmerken zu lassen. Wenn es mir nur gelang, diesen wunderlichen
Knaben zum Sprechen zu bringen, wenn er mir erzählte, weshalb er so verbissen hinter dem Fuchs herjagte …
Noch schwieg er, nagte zögerlich an seiner Unterlippe. Ich beschloss, einen weiteren Schritt auf ihn zuzugehen.
»Wenn Sie möchten, könnten wir uns irgendwo ungestört über Ihren Fuchs unterhalten?«
Alle Farbe wich mit einem Mal aus seinem Gesicht.
»Unter vier Augen«, fuhr ich fort.
»Nein!« Der heisere, angstvolle Ausruf kam überraschend. Ich sah, wie Nemec, der bisher der Szene neugierig gelauscht hatte, zusammenzuckte, sah, wie Lysander sich aufrichtete.
»Nein!«, wiederholte der Knabe. Echte Furcht spiegelte sich in seinem Gesicht. »Sie sind einer von ihnen, ich weiß es genau! Was haben Sie mit Leo gemacht? Was haben Sie meinem Bruder angetan?« Seine Stimme überschlug sich.
Unwillkürlich streckte ich die Hand nach ihm aus. Ich wollte ihn beruhigen, ihn schütteln, bis er wieder zur Besinnung käme. Doch das schien ein schwerer Fehler gewesen zu sein.
»Nein!«, gellte er erneut. »Lassen Sie mich! Lassen Sie mich in Frieden!« Er wirbelte auf dem Absatz herum und stürzte hinaus ins Freie, dabei stieß er beinahe mit einer mageren Gestalt zusammen, die eben im Begriff war, Nemecs Laden zu betreten. Noch bevor ich mich dazu entschließen konnte, die Verfolgung aufzunehmen – ein Vorhaben, dem ich in Anbetracht meiner geschwächten Konstitution nur geringe Erfolgschancen einräumte –, war Lysander auch schon von dem Verkaufstisch gesprungen. Kurz sah er zu mir auf, stieß einen sonderbaren Quietschlaut aus, und stürzte durch die offene Tür davon.
Als ich, Momente später und in deutlich gesetzterem Tempo die Buchhandlung verließ, waren beide schon aus der Gasse entschwunden.
Flüchtig erwog ich, den kurzen Weg hinauf zum Kleinseitner Ring anzutreten, um Felix von dieser rätselhaften Episode in
Kenntnis zu setzen, doch ich besann mich rasch eines Besseren: Was sich ereignet hatte, ließ sich auch in einem kurzen Telegramm festhalten. Und war es nicht klüger, weitere Erkundigungen über unseren Fragesteller und seinen Bruder einzuziehen, ehe ich Felix’ Hoffnungen schürte? So konnte ich nur hoffen, dass Lysander bald, und mit nutzbringenden Informationen versehen, zurückkehren würde.
Vorerst wurde meine Geduld auf eine harte Probe gestellt: Wie nicht anders zu erwarten, fand ich Mirko allein in der Wohnung vor, wo er sich am Klavier in seltsamen Variationen, die selten nach Chopin und zumeist nach Jahrmarkt klangen, versuchte. Sobald ich den Salon betreten hatte, hielt er in seinem Spiel inne und sprang auf, als hätte ich ihn bei einem höchst anrüchigen Zeitvertreib ertappt. Da ich den Jungen nicht zu weiteren eigenmächtigen Operationen ermutigen wollte, erzählte ich ihm nicht, dass mir gerade eine seiner Kritzeleien eine höchst informative Bekanntschaft eingebracht hatte.
Später, ich hatte mich ungeachtet der frühen Abendstunde zu Bett begeben, klopfte es an meiner Zimmertür. Es nahm eine kleine Weile in Anspruch, ehe ich aus meinem Dämmerschlaf zurück in die Gegenwart fand und ein nicht eben freundliches »Ja, bitte!« knurrte.
Mirko trat ein. »Ich wollte …«, begann er und sah sich dabei in dem altvertrauten Raum um, als hätte
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