Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
Vom Netzwerk:
er ihn zum ersten Mal betreten; als sei er noch der kleine Taschendieb, der mit Staunen die Wohnung erkundete: Die dunkelgrünen Ziervorhänge in meinem Schlafzimmer sowie die blassgemusterte Seidentapete waren ihm damals als Höhepunkt der Eleganz erschienen.
    »Störe ich dich?«, erkundigte er sich jetzt, und die Vorsicht in seiner Stimme, seinen Gesten erfüllte mich mit Zorn. Mit
Mühe hielt ich eine scharfe Antwort zurück, um die fragile Basis, die noch zwischen uns bestand, nicht zu gefährden.
    »Ich störe«, missverstand Mirko mein Schweigen. »Aber es gibt etwas, das ich dich trotzdem fragen muss.«
    Ich hob den Kopf.
    »Kann ich wieder am Fall Trubic mitarbeiten?«, stieß er sehr schnell hervor. »Ich meine, so wie … früher?«
    Wie früher! Was würde schon wie früher sein, wenn es uns einst gelingen sollte, dieses Labyrinth der Masken, der Täuschungen, des Hasses und der Rache zu verlassen?
    Mirko stützte sich schwer auf die geschmacklose Biedermeierkommode, die ich vor Jahren in einem Anfall von Selbsthass erworben hatte. »Ich bin mit euch nach Prag gekommen, weil ich diesen Fall mit dir und Lysander zu Ende bringen will.« Hastig redete er weiter, als erwartete und fürchtete er Widerspruch. »Und weil ich dachte, dass ich … dass wir …« Er blickte mich jetzt mit wilden, verletzten Kinderaugen an: »Ich dachte, hier könnte immer noch mein Zuhause sein!«
    Ich setzte mich ruckartig auf; eine schnelle, ungeschickte Bewegung, die mir meine lädierte Rippe nicht verzieh. Eine Hand gegen meinen Brustkorb gepresst, wartete ich ab, bis der Schmerz allmählich verebbte. »Wenn du möchtest, ist es das immer noch. Dein Zuhause.«
    Mirko war ein paar Schritte näher gekommen, beäugte mich stirnrunzelnd. »Lysander meint, dass es schlimmer war, als du zugeben willst.«
    Mit »es« konnte nur der Unfall gemeint sein. »Lysander wünscht zu übertreiben, und heldenhaftes Betragen zu verorten, wo keines ist«, sagte ich mit einem vorsichtigen Achselzucken.
    Behutsam schob Mirko einige Bücher und etwas Briefpapier zur Seite, ehe er sich auf dem Sessel neben meinem Bett niederließ.

    »Ich verstehe es nicht«, bekannte er.
    »Ich bitte um eine Präzisierung der Aussage«, murmelte ich, obschon mir der Sinn nicht nach grundsätzlichen Erörterungen stand und mir noch immer jeder tiefere Atemzug eine Qual war.
    »Nichts.« Mirko fuchtelte nun mit beiden Armen in der Luft. »Die Automobilrennen nicht, und die Heldenpose, und die … die Geschichte aus dem Tagebuch, und …« Er senkte den Blick.
    »Warum hast du mir damals geholfen?«, stammelte er hilflos.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, zu lügen und ihm die Antworten zu geben, auf die erwartete. Doch ich wusste seit der Bahnfahrt nach Wien, als ich seinen verletzten Brief an Esther gelesen hatte, dass er die Wahrheit verdiente: »Ich weiß es nicht.«
    Mirko scharrte mit den Schuhspitzen auf dem Teppich. »Aber mit Trubic bist du … hast du?«, murmelte er reichlich unzusammenhängend, doch verständlich.
    »Ja«, sagte ich ruhig. Das genügte als umfassende Erklärung. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung tat Mirko uns beiden den Gefallen, ausnahmsweise nicht Schrecken und moralische Entrüstung zu markieren.
    »Aber es hat nur mit Trubic zu tun?«, fragte er stattdessen leise.
    Ich biss mir auf die Lippen. Wenn ich den verschlungenen Pfad meines Lebens zurückblickte, was hatte seit unserer Begegnung in Mostar nicht  – um von Mirkos Formulierung Gebrauch zu machen – mit Trubic zu tun gehabt? All die anderen Sünden und Versuchungen, was kümmerten sie mich?
    Und dann kehrte eine Erkenntnis wieder, die mir vor vielen Jahren ein nicht gänzlich ungetrübtes Wiedersehen hier in Prag beschert hatte; wie ein Keulenschlag traf es mich, damals wie heute, das bittersüße Eingeständnis einer – Liebe.
    Dass Lysander, der durch die Klappe in unserer Eingangstür
ungehört die Wohnung betreten hatte, in jenem Moment in das Zimmer hoppelte, rettete mich vor der Beantwortung dieser Frage.
    »Nun?«, bestürmte ich ihn.
    Lysander, alter Komödiant, der er war, verstand es, die Spannung aufs Äußerste zu steigern: Mit tiefem Seufzen nahm er auf dem Teppich Platz, rieb sich mit den Pfoten die Nase, blinzelte verschwörerisch: »Er wohnt auf dem Wenzelsplatz, gleich beim neuen Grand Hotel«, verkündete er zuletzt.
    Mirko starrte ihn verständnislos an. »Wer?«
    »Der kleine Vlcek.« Lysander verzog die Lefzen zu einem ausgesprochen

Weitere Kostenlose Bücher