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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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selbstzufriedenen Grinsen. »So wurde unser jugendlicher Bekannter jedenfalls von den beiden Herrschaften, denen er am Haustor begegnete und die er durchaus nicht grüßte, bezeichnet, als sie sich nachher über seine miserablen Manieren echauffierten. Und um dieser spärlichen Informationen willen bin ich dem armen Jungen quer durch die halbe Stadt nachgelaufen.«
    »Worum geht es eigentlich?«, platzte Mirko heraus. Und während Lysander sich anschickte, die Ereignisse des Nachmittags in knappen Worten darzulegen, ließ ich meine Gedanken schweifen. In den Kreisen der gehobeneren Gesellschaft verkehrte ein gewisser Leopold Vlcek, ein Seidenfabrikant aus der Provinz, der vor einigen Jahren nach Prag gezogen war; ich hatte ihn niemals kennengelernt, nur Geschichten von seinem legendären Glück am Spieltisch gehört, und von seiner Frau, die mittels verschiedenster Wohltätigkeitskomitees die Welt zu retten gedachte. Was hatte der Knabe in der Buchhandlung gerufen? »Wo ist Leo, wo ist mein Bruder?« Nun, gewiss war Vlcek ein Dutzendname …
    »Dejan?«
    Lysander stand auf den Hinterbeinen, mit den Pfoten auf die Bettkante gestützt und schüttelte missbilligend den Kopf.

    »Was du vorhast, will ich wissen.«
    Ich tastete nach der Tabatiere auf meinem Nachttisch, fand sie jedoch leer vor.
    »Nun«, sagte ich, und konnte mich einer vagen Vorfreude auf das bevorstehende Rätselspiel nicht erwehren. »Zunächst werden wir ein paar Erkundigungen über die Familie Vlcek einziehen.«

13
PRAG 3. JULI 1909

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 3. JULI 1909
    Professor Novak, Freund und Mentor seit den Anfangstagen meiner detektivischen Karriere, und erfreulicherweise einer der wenigen hochrangigen Beamten in der Prager Polizei, die in vollem Umfang über die Okkulten Belange informiert waren, wiegte bedächtig sein schweres Haupt. »Schauen Sie, das geht nicht«, erklärte er mir geduldig zum wiederholten Male an jenem Morgen. »Ich kann doch die Listen mit den vermissten Personen nicht an Fremde weitergeben.«
    »Fremde«, wiederholte Mirko, der am Fenster der kleinen Bureaustube stand und großes Interesse an den Geschehnissen in der Gasse unter uns heuchelte. Ganz war es ihm noch nicht gelungen, seine Scheu vor jeglichen polizeilichen Organen abzulegen, obwohl ihm Vilem Novak immer mit zerstreuter Freundlichkeit begegnet war.
    »Ja, ja, schon gut.« Professor Novak hatte sich erhoben und watschelte jetzt schwerfällig – irgendwann in den letzten beiden Jahren hatte er die Grenze zwischen Beleibtheit und Fettsucht endgültig überschritten – auf mich zu.
    »Es würde genügen, wenn sich ermitteln ließe, ob ein Leo Vlcek als vermisst gemeldet ist«, sagte ich. »Und seit wann. Wir müssten selbst gar nicht in die Listen Einsicht nehmen.«
    Novak ließ eine Hand auf meine Schulter sinken; ich selbst darf mich mit Fug und Recht als »hochgewachsen« bezeichnen, doch er überragte mich beinahe um Haupteslänge. Er
lächelte, und ich wusste, dass ich gewonnen hatte – wie nicht anders zu erwarten. Im Laufe unserer Bekanntschaft hatten wir diese kleine Szene mindestens schon ein Dutzend Mal aufgeführt.
    »Baron, Baron«, murmelte Novak und zog an der Klingelschnur. »Hat Ihr Vampir etwa schon wieder zugeschlagen?«
    Die Ankunft eines jugendlichen Polizeidieners, dem Novak seine Befehle entgegenbellte, ersparte mir die beschämende Antwort, dass wir noch nicht so recht wussten, wonach wir eigentlich suchten.
     
     
    Eine halbe Stunde später verließen Mirko – der sich sichtlich erleichtert zeigte, kaum dass wir ins Freie getreten waren – und ich das Polizeipräsidium in dem Wissen, dass der junge Vlcek, der doch so eifrige Fuchsrecherchen betrieb, noch nicht den Einfall gehabt hatte, die Abgängigkeit seines Bruders zu melden.
    »Und jetzt?«, fragte Mirko, als wir am Fünfkirchenplatz nach einer Mietdroschke Ausschau hielten. Seit unserer eigentümlichen Unterredung am vergangenen Abend hatten wir kaum ein Wort gewechselt, auch wenn sich Mirko mir wie selbstverständlich angeschlossen hatte, als ich zum Polizeipräsidium aufgebrochen war.
    Ein offener Einspänner holperte heran.
    »Zum Wenzelsplatz«, gab ich dem Kutscher und Mirko gleichermaßen zu verstehen. Nur Letzterer äußerte Missvergnügen ob dieses Zielorts.
    »Du kannst sie doch nicht einfach besuchen! Was willst du ihnen denn sagen? Und der Bruder, wenn du dem gestern schon verdächtig warst, was glaubst du, was der für ein Theater machen

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