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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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wird, wenn wir vor der Tür stehen?«, ereiferte er sich.
    Ich nahm den Hut ab und rieb mir die schmerzende Stirn.
Ein neuerliches Zusammentreffen mit dem Knaben würde sicherlich für weitere Komplikationen und Verzögerungen sorgen; andererseits sah ich keinen Weg, vor mir selbst zu rechtfertigen, wie ich einer Spur – der einzigen Spur! –, die uns vielleicht zu dem geheimnisvollen Fuchs führte, nicht nachgehen konnte.
     
     
    So wie Lysander gesagt hatte, war es auch: Familie Vlcek nannte eine Wohnung in dem Haus gleich neben dem stadtbekannten Hotel Erzherzog Stephan ihr Eigen, vor dem uns der Kutscher aussteigen ließ. Vor einigen Jahren hatte es einiges Aufsehen gegeben, als die freundliche Schäbigkeit des alten Hotels der goldverzierten Leichtigkeit der modernen Architektur weichen musste. Noch immer trauerten die Prager der Zeit nach, wo niemand zu viele Fragen gestellt hatte und der fröhliche Lärm der Bierstube im Keller bis in die oberen Geschosse vorgedrungen war. Auch ich hatte das Hotel seit dem Umbau nicht mehr besucht. Nun gingen Mirko und ich die wenigen Schritte zu dem herrschaftlichen Haus der Vlceks.
    Mein Assistent durfte sich rühmen, einer der wenigen Menschen zu sein, die mich immer wieder aufs Neue erstaunten. So auch in dem Augenblick, als wir die Stufen zur Vlcek’schen Wohnung erklommen hatten. Da schlug Mirko tatsächlich ein Kreuz über seiner Brust und flüsterte: »Wenn das nur keine Blamage wird.« Seit dem Zwischenfall mit dem Tagebuch schien er jegliches Vertrauen nicht nur in mich, sondern auch in meine Fähigkeiten verloren zu haben.
    Ein mageres Dienstmädchen öffnete uns. »Der gnädige Herr ist nicht zugegen, der kommt gewöhnlich erst am Abend wieder«, teilte sie uns mit, nachdem ich mich vorsichtig nach Herrn Vlcek erkundigt hatte. »Und die gnädige Frau auch.«

    Sie spähte aus kleinen, forschenden Augen zu mir auf. »Wer…«
    »Und die jungen Herren?«, unterbrach ich sie schnell.
    »Der junge Herr Moritz ist seit der Früh fort, der sollte gegen Mittag wiederkommen, und der Herr Leo ist …« Sie stockte. Unruhig nestelte sie an ihrer Schürze.
    »… auch fort?«, führte ich den Satz zu Ende. »Zu dumm, wirklich zu dumm. Sehen Sie, es geht um den Abgabetermin.« Das schien mir in einem Haushalt, in dem höchstwahrscheinlich beide Burschen ihre Ausbildungen noch nicht abgeschlossen hatten, eine gut verwendbare Lüge.
    »Sommerferien«, zischte Mirko mir zu; glücklicherweise überhörte das Dienstmädchen diesen Einwand.
    »Ich verstehe nicht recht«, sagte sie, ohne auch nur einen Schritt zur Seite zu treten oder uns etwa hereinzubitten. »Kommen die gnädigen Herren vielleicht von der Universität?«
    Universität? Ja, warum nicht.
    »Dr. Novak«, stellte ich mich prompt vor und wies auf Mirko. »Mein Assistent.«
    »Ja, bitte, dann kommen’S besser herein«, entschied die Dienstbotin. Durch einen hohen Gang geleitete sie uns in den Salon, dessen Einrichtung sich hauptsächlich aus einer biederen Couchgarnitur, einem achteckigen lackierten Tischchen, etlichen Bücherregalen und einem immensen Kamin zusammensetzte. Die Wände zierten verschiedene Photographien; ein Familienbild neueren Datums (ich erkannte Moritz sogleich wieder) zog meine Aufmerksamkeit in Bann: Neben seinen Eltern und dem jüngeren Bruder, dem er stark ähnelte, präsentierte sich Leo als farbloser, schmaler Bursche um die Zwanzig, mit einem dünnen Schnurrbart und überkorrekter Körperhaltung.
    Auf meine neuerliche Frage, wann mit dem Erscheinen des jungen Herrn Leo Vlcek zu rechnen sei, antwortete sie mit
einem Schnaufen. »Da sollten’S mit dem Herrn Moritz reden, wenn der zurückkommt. Lang kann’s ja nicht mehr dauern.«
    Ich warf einen demonstrativen Blick auf meine Taschenuhr. Es grenzte an ein Wunder, dass das Dienstmädchen mir trotz des teuren Sommeranzugs nach der letzten Mode, meiner ungewöhnlichen Haartracht und der Wunde an meiner Stirn den Universitätsdozenten abgenommen hatte; weiter mein Glück auf die Probe zu stellen gedachte ich nicht. »So lange können wir leider nicht warten«, preschte ich nach vorn. »Das Buch muss heute Nachmittag noch in Druck gehen.«
    Sie starrte mich an.
    »Nur der Beitrag des Herrn Vlcek fehlt noch immer«, fuhr ich ärgerlich fort. »Deshalb bin ich nun hier, um ihn persönlich einzufordern.«
    So dünn und unwahrscheinlich die Lüge auch war, das Dienstmädchen schien mir zu glauben. Sie erblasste merklich, und bewies mir damit,

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