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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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dass man im Hause Vlcek durchaus wusste, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Ich beschloss, die Gunst des Augenblicks zu nutzen.
    »Hören Sie«, sagte ich streng. »Ich muss wissen, wie ich zu Herrn Vlcek in Kontakt treten kann.«
    Da war es mit der Beherrschung der Dienstbotin vorüber. Mit den Worten »Fort ist er! Fort!«, ließ sie sich auf den Diwan fallen, barg das zerknitterte Gesicht in den Händen. »Mit einer Frau!« Ihre Stimme zitterte.
    Mirko, der erkannt hatte, welche Rolle ihm hier zukam, trat eilig zu ihr, berührte ihre Schulter. »Was für eine Frau?«, erkundigte er sich voller Anteilnahme.
    Sie hob den Kopf. »Was weiß denn ich! Der gnädigen Frau hat er ein Brieferl hinterlassen, dass eine große Liebe ihn zwingt, mit der Familie zu brechen!«
    Und da hieß es immer, Dienstboten wären am besten über sämtliche Geschehnisse in einem Haushalt informiert! »Das
tut mir leid«, sagte ich betont kalt. »Aber das hilft uns nicht weiter. Wir brauchen den Artikel. Vielleicht möchten Sie ihn uns bringen?«
    Wie ich mir erhofft hatte, protestierte sie sogleich: »Aber ich weiß doch nicht, wie der Artikel ausschaut, gnädiger Herr.«
    »Dann erlauben Sie, dass ich ihn holen werde. Ich bin mir sicher, ich werde ihn erkennen.«
    Sie fügte sich meinen Anordnungen. Und während sie noch die Tür zum Nebenzimmer öffnete – aufgrund unkonventioneller Raumaufteilung schien Leo Vlceks Zimmer nur durch den Salon zu betreten sein –, blinzelte ich Mirko zu und deutete mit einer schnellen Geste auf das Familienbild.
    Mirko nickte.
     
     
    Das Zimmer war klein und penibel aufgeräumt. Ein schmales Fenster wies auf den Wenzelsplatz hinaus, darunter stand ein wuchtiger Schreibtisch, der die Bewegungsfreiheit in dem engen Raum entschieden verringerte. Kein Blatt Papier, kein Federkiel lag auf der Tischplatte. Ich seufzte und öffnete auf das Geratewohl eine Schublade. Dass ich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den Privatgegenständen eines verschwunden Jungen wühlen musste, erfüllte mich mit unterschiedlichsten Emotionen, die sich insgesamt wohl mit »Scham« zusammenfassen ließen. An einige Aspekte meines selbst gewählten Berufs würde ich mich wohl nie gewöhnen können; zu sehr standen sie im Widerspruch zu jenem Anstands- und Ehrempfinden, welches meine Jahre bei der Armee mich gelehrt hatten.
    Studienunterlagen in der ersten Schublade, dazwischen ein Kuvert mit neckisch-unanständigen französischen Photographien; in der zweiten diverse Schreibgerätschaften, Briefpapier, und ein Billet der Seilbahn zum Petřín, ausgestellt am 29. Juni,
das ich – in der Gewissheit, dass wir es uns nicht leisten durften, selbst den unbedeutendsten Hinweis zu vernachlässigen  – einsteckte. In der untersten Lade schließlich eine Mappe mit weiteren Vorlesungsmitschriften, Ansichtskarten und ein paar Zeichnungen, die ich rasch durchblätterte.
    Mir war nicht entgangen, dass das Dienstmädchen mit Argusaugen jeder meiner Bewegungen folgte.
    »Aber, Herr Doktor«, begann sie jetzt in vorwurfsvollem Ton.
    Ich ignorierte sie, wurde meine Aufmerksamkeit doch gänzlich gefesselt von einer der Skizzen, die ich bei dem künstlerisch veranlagten Bewohner der Stube gefunden hatte. Obschon einige der Landschaften, Stillleben, Bewegungsstudien vielleicht detailreicher und inspirierter gefertigt waren, faszinierte mich dieses Kohleporträt doch besonders: Es handelte sich um das Halbprofil eines hageren jungen Mannes mit prominenter Nase und kurzen Locken. Ein eigentümliches Lächeln umspielte seine Lippen, ein Lächeln, das mich an Bahnhofsabschiede oder wehmütige Erinnerungen einer längst vergangenen Sommernacht denken ließ.
    »Lišek«, stand in Blockbuchstaben unter dem Porträt.
    Lišek, der Fuchs.
    »Sagen Sie, was machen Sie da eigentlich, Herr Doktor?«, riss mich eine empörte Stimme aus der Betrachtung der Skizze. »Wenn Sie überhaupt ein Doktor sind!«
    Blitzschnell stopfte ich die Zeichnung in meine Tasche, wollte schon aufspringen, da sah ich am Boden der Schublade liegen, wonach ich gesucht hatte: ein ledergebundenes Büchlein, mit einem kleinen Schloss gesichert. Leo Vlceks Tagebuch, so hoffte ich.
    »Was tun Sie denn da? Legen Sie das zurück. Ich ruf die Gendarmen!« , gellte das Dienstmädchen, die endlich meine Täuschung durchschaut hatte.
    Ich stieß sie zur Seite, und lief durch den Salon hinaus auf
den Gang, wo mich Mirko, die gerahmte Photographie unter den Arm geklemmt,

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