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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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bereits erwartete. Er riss die Eingangstür auf, dann hasteten wir auch schon die Stiegen hinunter.
    »Hilfe! Hilfe! Diebe!«, ertönte es hinter uns.
     
     
    Etwas Gutes hatte der rege Verkehr auf dem Wenzelsplatz: Es war nicht weiter schwer, sich in dem Durcheinander aus unzähligen Passanten, Kutschen, einzelnen Reitern und schwer beladenen Fuhrwerken zu verlieren. Nur wer rannte, machte sich verdächtig – und dennoch gelang es mir an jenem Vormittag nicht, mich zu beherrschen. Im Laufschritt überquerte ich den Platz, bog eilends in eine Seitengasse, hier um die nächste Ecke, dort durch den Hinterhof; erst als der stechende Schmerz in meiner Brust mich zu überwältigen drohte, hielt ich in einer stillen Straße inne und stützte mich schwer auf eine Straßenlaterne.
    »Dejan? Geht es dir gut?« Mirko klang besorgt; mich hingegen ärgerte die absurde Frage fast ebenso sehr wie die Tatsache, dass er kaum außer Atem war, während ich gegen die Schwärze vor meinen Augen kämpfte.
    Mit schier übermenschlicher Kraftanstrengung hob ich den Kopf. »Wenn das alles vorbei ist, suche ich mir eine harmlosere Beschäftigung«, stieß ich mühsam hervor.
    Mirko musterte mich aufmerksam, dann grinste er heiter und verschlagen wie ein Gassenjunge, dem es eben gelungen war, mein Portemonnaie zu stibitzen: »Das sagen Sie allerdings seit Jahren, mein Herr!«
     
     
    Auf Umwegen kehrten wir zur Wohnung zurück; Mirko bestand darauf, alle nur erdenklichen Haken zu schlagen, um etwaige Spuren zu verwischen; um des brüchigen Friedens willen
gab ich klein bei. Selbst als er vorschlug, ein Stück mit der Elektrischen zu fahren, willigte ich ein, und zwang mich, es nicht als Bruch mit der Standesehre zu sehen. Niemand war uns gefolgt, und so atmeten wir auf, als wir die Wohnung endlich betraten.
    »Nun?«, Lysander, der neben uns in den Salon hoppelte, konnte seine Neugierde kaum zügeln. Mit einer großspurigen Geste zog ich das ledergebundene Büchlein aus meinem Jackett, händigte es Mirko aus.
    »Lies vor«, sagte ich, während ich mich rücklings auf den Diwan fallen ließ. »Aber wenn möglich, nur die relevanten Stellen.«
     
     
    4. März 1909
    Heute Abend beim Konvent: Dr. Horák hielt einen seiner Vorträge, kam aber wie gewohnt über Lippenbekenntnisse zur patriotischen Sache nicht hinaus.
    Größeres Aufsehen erregte die Anwesenheit eines Fremden unter den Zuhörern, den Peters – neuerdings Zweitchargierter – als seinen Bekannten, vulgo »Ctirad«, einführte. Dieser blieb anschließend noch lange, um zu diskutieren, und sprach sich dabei eloquenter und treffender für die böhmischen Belange aus, als der geschwätzige Dr. Horák es jemals zustande gebracht hätte.
     
     
    6. März 1909
    Traf im Collegium auf Peters, den ich sogleich nach seinem geheimnisvollen Bekannten aushorchte. Sie waren sich auf der Galerie des Landtags begegnet, wo »Ctirad« ihm bei einem Disput mit einem Zwischenrufer monarchistischer Gesinnung beigestanden hatte.
     
    13. März 1909
    Ich muss gestehen, ich freute mich aufrichtig, als ich den »Ctirad« gestern im Kneipsaal sah. In der Hoffnung, das Gespräch von unserem letzten Zusammentreffen weiterführen zu können, suchte ich seine Nähe; kein leichtes Unterfangen, zumal die Hälfte der Bundesbrüder dasselbe Ansinnen hatten. Wieder sprach er sich offen für die Unabhängigkeit der böhmischen Kronländer aus! Aber wie anders klang es aus seinem Mund: Welcher Staat, so fragte er in die Runde, hätte je mit Diplomatie und Geschwätz die Freiheit erlangt? Wie lange noch wollten wir uns – wollte Böhmen sich – noch mit Brotkrumen von des Kaisers Tisch abspeisen lassen?
    Weniger offenherzig antwortete der »Ctirad« auf persönliche Fragen, obschon er freiweg erzählte, dass er kein verbummelter Fink, kein Philister war; ja niemals selbst studiert hatte. »Die Verhältnisse waren nicht so, zu meinen Zeiten«, sagte er, und legte so große Betonung auf diese letzten Worte, als spräche er von vergangenen Jahrhunderten! Dabei ist er noch gar nicht so alt: Allerhöchstens kann er in den Vierzigern sein!
    Auch über seine Beschäftigung können wir nur Mutmaßungen anstellen. Seinem Auftreten nach handelt es sich in jedem Fall um einen Herrn der gehobenen Gesellschaft; schon wird gemunkelt, er wäre in hohen Ämtern tätig. Einiges würde gewiss dafür sprechen, nicht zuletzt sein Unwille, seinen wahren Namen preiszugeben. Aber was mag er von uns wollen?
     
     
    16. März

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