Des Teufels Maskerade
Tag.
Auch Baron Trubic war inzwischen zu einem regelmäßigen Gast in meinem Laboratorium geworden, auch wenn ich ihn nicht wirklich als Freund ansah: Einen Funken Misstrauen hatte ich mir doch bewahrt, obgleich er mir stets mit vollendeter Liebenswürdigkeit begegnete. Gelegentlich lud er mich zu Ausritten ein, und selbst in seinem Stadthaus, am Hang des Hradschins, war ich Gast. Ich begegnete seiner Gemahlin und seinen Söhnen (beide schon im Mannesalter), und ich bestaunte den prachtvollen Wandteppich, auf dem der erste Baron Trubic blutüberströmt und von Feinden umzingelt, tapfer sein Schwert schwang.
»So wurde eine Familie von Freibauern in den Adelsstand erhoben«, sagte Milan Trubic voll Hohn. »Durch Blutopfer und Schwert.«
Lišek hingegen war mehr und mehr von seiner Aufgabe in Beschlag genommen. Der Kaiser sei ein Verrückter, so sagte er mir eines Abends, als wir gemeinsam zu der Versammlung unserer Bruderschaft gingen. Irgendetwas müsse geschehen, eine Tat gesetzt werden. »Der Kaiser sammelt oben auf dem Hradschin seinen dekadenten Hofstaat um sich und quält die Bevölkerung mit hohen Steuern, um seine exzentrischen Bedürfnisse zu befriedigen. Er versteht nichts von seinen Regierungsgeschäften, ja, überlässt sie vollständig seinen Höflingen, diesen Speichelleckern. Die Kaiserstadt Prag – ha! Prag würde sich glücklich schätzen ohne Kaiser!«
»Leise«, mahnte ich ihn, als wir in der Nähe unseres Kellergewölbes ankamen. Er war mir mittlerweile zu lieb geworden, als dass
ich ihn gegen all jene kämpfen sehen wollte, die der Besatzung ihres Heimatlands gute Seiten abgewinnen konnten. Doch Lišek hatte bereits zu lange gewartet. Nichts und niemand konnte ihn mehr bremsen. Drinnen, an den schweren Holztisch gelehnt, setzte er den Mitbrüdern sogleich seinen Plan auseinander: Noch wären wir wenige, aber das würde sich ändern, hätten wir erst ein Zeichen gesetzt. Das böhmische Volk sei nicht feige oder träge, es warte nur ab, warte nur auf den richtigen Moment, um zu den Waffen zu greifen.
»Welches Zeichen?«, fragte ich rasch. Ich hatte eine dunkle Vorahnung.
»Den Kaiser töten«, sagte Lišek so leise, dass manch einer die Worte kaum verstand.
»Wie wollt Ihr das anstellen?«, erkundigte sich Grégr so unbeeindruckt, als ginge es nur um eine besonders waghalsige ritterliche Mutprobe. Niemand sonst reagierte.
»Nun«, sprach Lišek, »ich weiß, der Kaiser wagt sich aus Furcht vor Attentätern kaum aus seiner Burg – der Feigling! Dennoch gibt es einen Weg, zu ihm zu gelangen, und dieser steht mitten unter uns.«
Mit einem Mal richteten sich alle Augen auf mich. »Ich verstehe nicht«, log ich erschrocken.
Lišek lächelte sein Fuchslächeln. »Des Kaisers Alchemist. Auch wenn er Euch vergessen hat, so verkehrt Ihr noch immer bei Hofe. Und Ihr unterhaltet, wie Ihr mir selbst erzählt habt, ausgezeichnete Beziehungen zu der Dienerschaft. Gift im Becher des Kaisers, geriebenes Glas vielleicht …«
Er schwieg. In seinen Augen glänzte ein Traum.
»Wenn man ihn entdeckt«, entgegnete Šternberg, »wird Meister Carlton sein Leben lassen.«
Lišek zuckte die Achseln. »Thomas wird verstehen, dass es der einzige Weg ist.«
Allmählich lösten sich auch die anderen aus ihrer Erstarrung, alle
schrien durcheinander, gestikulierten gleichzeitig Zustimmung oder Ablehnung.
»Ich kann diesen Wahnsinn nicht länger mitanhören!«, rief ich zuletzt. »Ihr müsst toll sein!«
Schnell trat Lišek an meine Seite. »Fordert Ihr mich?«, fragte er beinahe erleichtert.
Ich schüttelte nur sacht den Kopf. »Nein, gegen Euresgleichen ziehe ich nicht den Degen.«
Betroffenes Schweigen legte sich über die Gefährten. »Ihr seid zu weit gegangen, Lišek. Wir sind keine Meuchelmörder.« Und Grégr stimmte Šternberg zu: »Wenn wir Rudolf töten, fällt Böhmen an Matthias von Österreich.«
»Nein.« Lišeks Augen funkelten. »Ihr irrt. Wir werden kämpfen.« »Und unterliegen.«
»Feiglinge!«, rief Lišek aus. »Was seid Ihr nur für elende Feiglinge! Kleingeister, willenlose Puppen! Knechte fremder Herren!« Mit diesen Worten stürmte er davon; wir, die Geschmähten, blieben noch ein wenig länger. Doch schon bald senkten wir schweigend die Blicke – wagten wir es doch nicht, die eigene Furcht in den Gesichtern der anderen zu erkennen.
Als ich an jenem Abend die Brücke überquerte, wurde ich auf einen blassen Herrn in langem Umhang aufmerksam, der von zwei Laternenträgern
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