Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
Vom Netzwerk:
der unselige Leo Vlcek uns beschrieben! Mit einem Sammelsurium von Nichtigkeiten hatten wir einen weiteren Nachmittag vergeudet; schon brach die Dämmerung herein, schon hatte sich eine weitere Spur verloren …
    Plötzlich hatte ich eine Idee: Leo Vlcek war schließlich nicht der Einzige, der angesichts der anstehenden Bluttat – bei der es sich nur um den Mord an Felix Trubic handeln konnte – mit seinem Umfeld hatte brechen müssen. Ich benötigte dringend einen Blick auf Professor Novaks Listen der abgängigen Personen!
    Die Türglocke schellte; Augenblicke später steckte Pavel den Kopf zur Tür herein: »Bittschön, die Herren, ein gnädiges Fräulein tät’ Sie gern sprechen.«

     
     
    Lili Trubic lief im Salon auf und ab, wie eine der Raubkatzen in ihrem Käfig in der Menagerie. »Heute, knapp vor Morgengrauen, wurde ein Brief für mich abgegeben«, teilte Lili unumwunden mit. »Es sind Neuigkeiten, die Sie interessieren werden.« Entschuldigend fügte sie hinzu: »Ich hätte mich sofort an Sie wenden müssen, Baron, aber ich bedurfte einiger Zeit für mich selbst, um eine Entscheidung zu treffen.«
    Lysander blinzelte mir schnell zu. Es war wohl allein seinem Zuspruch zu verdanken, dass die Comtesse Trubic überhaupt gekommen war. »Dürfte ich fragen, worum es sich handelt?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
    Sie zog ein Kuvert aus ihrer Handtasche. »Lesen Sie selbst.«

     
    Lili,
    lass Dir versichert sein, es erstaunt mich ebenso sehr wie Dich, dass ich mich tatsächlich dazu habe bewegen lassen, diesen Brief zu verfassen. Weiß Gott, wie oft Du mir noch die Sterne vom Himmel versprechen magst, ehe ich Deine Aufrichtigkeit in Zweifel ziehe. Doch einerlei. Die Nacht ist kurz, und die Geschichte, die ich Dir zu erzählen habe, lang – nahm sie doch vor Hunderten von Jahren ihren Anfang, als ein junger Mann, der den Namen Thomas Carlton trug, ins stolze Prag, an den Hof Kaiser Rudolfs kam:
    Damals hatten manche den Kaiser einen Narren genannt, andere einen Träumer, wieder andere einen Sehenden. Vielleicht war er tatsächlich ein wenig von allem. Vom Staatsgeschäft hatte er nicht viel verstanden, und vom Kriege noch viel weniger, doch die Künste hatte er verehrt, Schönheit und Trug, Wissenschaft und Gaukelei in gleichem Maße. So versammelte er neben Malern, Dichtern und Philosophen auch die absonderlichsten Gestalten, wie Sterndeuter, Betrüger, Scharlatane um sich.
    Zu Letzteren zählte auch ich, der ich mich in jenen Tagen hochtrabend als Alchemist bezeichnete. In dieser Rolle eilte mir ein gewisser Ruf voraus, den ich mir durch Taschenspielerkniffe, Erfindungsreichtum und flinke Finger mühevoll ergaunert hatte, während ich der wahren Transformation von Materie keinen Schritt nähergekommen war als meine weniger angesehenen Kollegen. Ich war sehr jung damals, und ich liebte das Spiel. Und als bis in mein heimatliches London die Kunde drang, dass der Kaiser im fernen Böhmen seine Faszination an der Alchemie entdeckt hatte, da ritt mich wahrhaftig der Teufel. Ich verkaufte all mein Hab und Gut (abzüglich meines Instrumentariums) und trat die beschwerliche Reise an, um den Kaiser mit meinen Gaukeleien für mich einzunehmen.
    Weit schwieriger als die langen Monate des Ritts quer durch Europa war es jedoch, mir eine Einladung bei Hofe zu erwirken.
Dabei geizte ich bei Gott nicht mit glänzenden Golddukaten, die in die Tasche so manchen Höflings wanderten, der mir im Gegenzug versprach, mich im Kreise der gehobenen Gesellschaft als weitgereisten Meister der Alchemie zu preisen. Endlich, eines prachtvollen Frühlingsabends stand ich im Thronsaal vor dem Kaiser; und ich konnte ungeachtet meiner erregten Gemütslage eine überzeugende Probe meiner Künste geben, und so verständig über die Wissenschaft der Alchemie phantasieren, dass Kaiser Rudolf sich tatsächlich unterhielt.
    Ich wurde in die Dienste des Kaisers genommen.
    Neben Wissbegierde und Aberglauben war freilich Wankelmut einer der herausragendsten Charakterzüge Rudolfs: So rasch er sich für Menschen, Ideen begeistern vermochte, so schnell wurde er ihrer auch wieder überdrüssig. Kaum zwei Monate hatte ich am kaiserlichen Hofe verbracht, da langweilte ihn die Alchemie bereits wieder, und seine gesamte Aufmerksamkeit galt nun einem jungen Bildhauer, den der Kaiser persönlich, so sagte man, bei Tisch bediente, um seiner Ehrerbietung Ausdruck zu verleihen. Ob dies der Wahrheit entsprochen hat, vermag ich nicht zu sagen, denn ich wurde

Weitere Kostenlose Bücher