Des Teufels Maskerade
Französisch unterhalten würden und der böhmischen Sprache kaum mehr mächtig wären. Ein serbischer Baron, ein gewisser Herr von Trubic, hatte sich daraufhin über das »bäurische Böhmisch« lustig gemacht; was genügt hatte, um unseren
patriotischen Gefährten zu verstimmen. »Wie wollen wir frei sein, wenn wir uns nicht zu unserer Sprache, unseren Traditionen bekennen!« , ereiferte er sich gerade.
»Ihr wagt von Unfreiheit zu sprechen?«, fragte Trubic nach.
»Freilich.« Lišeks Augen glänzten wütend. Ganz offensichtlich war er zudem betrunken.
»Still«, mahnte ihn das Mädchen, mit dem er zuletzt getanzt hatte. »Ihr führt gefährliche Reden, mein Herr. Hütet Eure Zunge.« »Lasst ihn reden«, widersprach ihr Baron Trubic. »Gewiss sind wir alle sehr neugierig, was unser ›böhmischer‹ Held zu sagen hat.« Die letzten Worte klangen wie eine Beleidigung.
Mir entging nicht, wie Lišeks Rechte zum Griff seines Degens wanderte. Schnell trat ich hinzu; unter dem Vorwand, seinen Rat in einer dringenden Angelegenheit zu bedürfen, zog ich ihn ins Freie, in den Hof. »Habt Ihr den Verstand verloren?«, fuhr ich ihn an. »Macht so weiter und in wenigen Tagen habt Ihr Euch um Kopf und Kragen geredet!«
»Ihr versteht nicht, Thomas«, sagte Lišek und ließ sich langsam auf dem Rand des Zierbrunnens nieder. »Versteht nicht, wie sehr ich sie verachte. Seht doch nur die Geschichte unseres Landes: Prag war schon eine mächtige Stadt, da hatten unsere Beherrscher noch nicht einmal die Nasenspitze aus ihrer Provinz gesteckt.« Seine komische Verzweiflung brachte mich zum Lachen – und auch wenn er mir mit erhobener Faust drohte, so nahm er mir meine Erheiterung doch nicht übel.
Am nächsten Tag besuchte mich Milan Trubic in meinem Laboratorium. Müßig schlenderte er zwischen den Gerätschaften hin und her, erfragte die Wirkung jenes Pulvers, den Inhalt dieser Phiole. (Inzwischen hatte mich die Langeweile dazu gebracht, mein Blendwerk zugunsten ernsthafter alchemistischer Versuche aufzugeben.) Ich war auf der Hut. Höflinge Seiner Kaiserlichen Majestät pflegten mich nicht zu besuchen, um gelehrte Plaudereien zu führen, doch ich wusste nicht, wie ich sein eigentliches Ansinnen
herausfinden könnte. So blieb mir nichts anderes übrig, als mich seiner Führung zu fügen, und zu hoffen, dass Trubic bald des Spiels überdrüssig wurde.
»Seid Ihr nicht einsam, allein mit Eurer Kunst in einem fremden Land?«, fragte er zuletzt. »Gestern sah ich Euch zum ersten Mal in Gesellschaft, Meister Carlton.«
Mit großer Sorgfalt legte ich ihm dar, dass meine Profession mir zumeist Lebensinhalt und Beschäftigung genug wäre. Nur manchmal quäle mich ein Sehnen nach Zerstreuung oder nach freundschaftlichem Disput.
»Freunde werdet Ihr bei Hofe nicht finden«, sagte Trubic sanft. »Glaubt mir. Ich weiß, was es bedeutet, Fremder zu sein in diesem wunderlichen Land.«
Ich beobachtete ihn scharf, wie er da in meinem Gemach auf und ab schritt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Eine imposante Erscheinung war er, hochgewachsen und schlank, doch mit den breiten Schultern des Soldaten. Sein langes, weißlich-blondes Haar trug er in ungewöhnlicher Manier zusammengebunden, der Schnitt seiner Kleider machte keinerlei Konzessionen an das Diktat der Mode. Dennoch strahlte er die Haltung und Würde eines erfahrenen Kriegers aus.
»Ein wunderliches Land der Träumer und Phantasten«, wiederholte er nachdenklich. »Seht Euch vor, Meister Carlton. Manch einer hegt ein Traumgespinst, mit dem Ihr nichts zu tun haben wollt.«
Er blieb noch eine Weile, an diesem Nachmittag, doch sprachen wir von nichts Bedeutsamem mehr.
Tage, Wochen vergingen, mit dem Herbst hielten Kälte und Nebel Einzug in die Stadt. Ich lebte gelassen dahin, streifte durch die Gassen dieser alten, großen Stadt. Viele Stunden verbrachte ich auch mit Lišek, der mir die Geschichten seiner Heimatstadt nahebrachte. All die unzähligen kleinen Legenden und Erzählungen, die heute alle in Vergessenheit geraten sind, und es lohnt sich gewiss
nicht, sie zu wiederholen; doch an jenen kühlen Herbsttagen webte mein Lišek ein prächtiges, verführerisches Netz aus all den Geschichten und Liedern, bis ich – einer Fliege im Spinnennetz gleich – mich hoffnungslos in Prag verfangen hatte. An manchen Tagen, wenn der Wind durch die Bäume strich, war mir, als sprächen zarte Stimmen zu mir, die mich zum Verweilen aufforderten – für immer und einen
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