Des Teufels Maskerade
kleinen, fleischigen Füße betrachtet hatte, hob sie den Kopf.
»Ein schöner Mann ist er halt, der Trubic. Vielleicht nicht so schneidig wie der Herr Baron, aber auf eine andere Weise. Schad’ dass …, na Sie wissen schon. Einen Unfall hat er gehabt, hat mir die Marý erzählt. Die ist ganz auf Du mit einem von den Dienern vom Trubic – sehr verschwiegen ist der nicht, der Diener mein’ ich. Angeblich hat’s den Trubic vor zwei Jahren arg erwischt; bei irgendeiner Rauferei, auf der Krim war er wohl unterwegs. Den sollten’S sehen, ganz voll Narben, an Stellen, wo man sich denkt, na, das tut doch weh …«
»So sag schon. Was schreibt er?« Lysander schien es mir nicht weiter übelzunehmen, dass ich ihm die einfachen Freuden seines morgendlichen Bades mit einem Telegramm durchkreuzte, das zweifelsohne Arbeit bedeuten würde.
»Erwarte dich gegen zwei im Schwarzen Adler. Lysander mitbringen. Trubic «, verlas ich den lapidaren Text und ließ mich am Rand der Badewanne nieder.
»Und den plötzlichen Sinneswandel beliebt der Herr nicht zu erklären?« Lysander schnaubte leise, in Rückenlage schwamm er im lauwarmen Wasser. »Höchst kurios.«
»Was von Waldhausen noch übrig ist, ist gewiss schon lange nach Wien überstellt und begraben«, versuchte ich mich zu beruhigen. »Trubic kann mir nichts mehr anhängen.«
Lysander gab ein kurzes, bitteres Keckern von sich.
»Das Kurioseste an der ganzen Geschichte ist natürlich, dass Trubic Waldhausen nach Prag eingeladen hat. Soweit du mich ausnahmsweise wahrheitsgemäß unterrichtet hast, verband die beiden nicht unbedingt eine enge Freundschaft?«
Meiner inneren Anspannung zum Trotz gelang mir ein, wie
das goldumrahmte Ungetüm von Wandspiegel mir offenbarte, einigermaßen zuversichtliches Grinsen, als ich ihm antwortete: »Nun, in wenigen Stunden werden wir es herausgefunden haben.«
Schon vor Jahren, als Felix Trubic und ich in seltener Einigkeit das kleine Gasthaus am Fuße des Hradschins zu unserem bevorzugten Treffpunkt auserkoren hatten, war der »Schwarze Adler« im besten Fall als auf recht pittoreske Weise schäbig zu bezeichnen gewesen. Eine Tendenz, die sich mit der Zeit deutlich verstärkt hatte.
In der kleinen, düsteren Kellertaverne gelang es so manchem Schurken und Poeten, träumend und saufend die Zeit totzuschlagen – ja, die Zeit außer Kraft zu setzen, fühlte man sich doch unwillkürlich zurückversetzt in romantisch-verklärte verstrichene Jahrhunderte, in denen grimmige Musketiere und Schausteller in bunten Lumpen hier gezecht haben mochten. Trubic, der Vergangenheiten mochte, vor allem wenn sie ihn selbst nicht betrafen, hatte einmal die Überzeugung geäußert, dass just diese heruntergekommene Schenke der einzige Ort in ganz Prag wäre, an dem er seine Seele fliegen lassen könne.
Ja, so hatte er sich tatsächlich ausgedrückt – damals, als er mir noch Freund und Gefährte gewesen war.
»Dejan?«
Lysander, der gottergeben an seiner Leine neben mir hergehoppelt war, setzte sich auf die Hinterbeine, seine schwarzen Knopfaugen glitzerten. »Würde es dir etwas ausmachen, mich wenigstens einmal an deinen Gedanken teilhaben zu lassen, wenn du schon meine Fragen nicht beantworten willst?«
Ich hatte nicht einmal gehört, dass er etwas gesagt hatte;
glücklicherweise schien es dem Dienstmann, der sich abmühte, seinen Karren die schmale Gasse hinabzumanövrieren, ähnlich ergangen zu sein, denn er setzte unverdrossen, ohne auch nur den Kopf nach uns zu wenden, seinen Weg fort.
»Ob es dir nicht auch absonderlich erscheint, dass Trubic ausgerechnet den ›Schwarzen Adler‹ vorgeschlagen hat«, wiederholte Lysander seufzend, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sich kein weiterer Passant mehr in Hörweite befand. »Es sieht so aus, als wolle er mit aller Macht eine gemeinsame Vergangenheit heraufbeschwören.«
»Unsinn«, widersprach ich eine Spur zu heftig. Auch mir war dieser Gedanke gekommen – und allzu schnell hatte ich ihn wieder verworfen. »Wahrscheinlich ist Trubic auf die Taverne verfallen, weil sich hier jedermann um seine eigenen Angelegenheiten schert und es keinen interessiert, was der Nebentisch zu besprechen hat.«
Trubic erwartete uns bereits. Eine Karaffe Wein vor sich, saß er entspannt an einem der ungeschlachten Holztische, ins Gespräch vertieft mit einem jungen Menschen von wächserner Hautfarbe und ausgemergelter Gestalt. Nur Trubics stutzerhafter Aufzug – der
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