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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Unabhängigkeit zu führen? Selbstverständlich glaube ich nicht daran!«
    Aus dem Mund eines englischen Landadeligen, der viele Jahrzehnte als Gespenst zugebracht hatte, ehe ein magischer Zwischenfall ihm die Gestalt eines Otters gab, klang diese an sich vernünftige Einschätzung ausgenommen frivol.

     
     
    »Ich geh’ dann los, zum Hauptkommissariat.« Mirko, der sich in ein Bilderbuchexempel an Seriosität verwandelt hatte, steckte das akkurat gescheitelte Haupt zur Tür herein.
    »Du weißt, was du tust?«, erkundigte sich Lysander etwas schulmeisterlich.
    Mirko verdrehte die Augen. »Ich lasse mich zu Professor Novak führen, erkundige mich nach Vermisstenmeldungen der letzten Wochen und zudem des Sommers 1883 und 1864, und gehe ganz allgemein nicht fort, bevor er mir nicht die Listen gezeigt hat«, leierte er seinen Auftrag herunter. »Übrigens, der Herr Rysoka« – der Name unseres Entführungsopfers – »fängt an, sich zu rühren.«
    Pavel zog die Verbandsstreifen an meiner rechten Hand fest. »Die Fesseln dürften halten«, erklärte er stolz. »Ich weiß doch noch, wie man Seemannsknoten bindet.« Als sehr junger Bursche, bevor er in meine Dienste gekommen war, hatte er als Leichtmatrose eines Handelsschiffs ein ereignisreiches Jahr auf hoher See verbracht. Wie es so üblich war, hatte der Lauf der Zeit seine Erinnerungen verklärt, so dass er mittlerweile davon überzeugt war, dass er sein wahres Glück nur bei der Marine hätte finden können. Mit großer Regelmäßigkeit fluchte er nun auf seine Bequemlichkeit und Feigheit, die ausschlaggebend gewesen waren, dass er diesen Karriereweg nicht weiter verfolgt hatte.
    »Gut.« Ich rieb mir den Nasenrücken. »Wir sollten ihn auch knebeln. Es wäre zu dumm, würde er aufwachen und ein Riesengeschrei machen.« Selbst die Toleranz unserer Nachbarn, die wir mühevoll an die seltsamsten Besucher und zeitweilige Lärmentfaltungen zu unchristlicher Stunde gewöhnt hatten, kannte ihre Grenzen.
    »Soll ich …«, bot Mirko an.
    »Nein danke, du hast wirklich schon genug getan.«
    Hochzufrieden mit sich selbst hatte Mirko mir nach unserer
Rückkehr in die Wohnung erzählt, wie er mit dem Zeugen der Nacht verfahren war: Er hatte, in gerade noch vertretbarer Dosierung, Schlafpulver in Wein aufgelöst, dem Unglücklichen die Pistole – meine Pistole! – an die Schläfe gehalten, und ihm mitgeteilt, dass sein letztes Stündchen geschlagen hätte, wenn er nicht augenblicklich das Glas leeren würde. Zur allgemeinen Erleichterung hatte der Chauffeur sich gefügt und seither neben der Kredenz in der Küche gedöst.
    Nach kurzer Überlegung reichte ich jetzt Pavel die Waffe. »Also, Herr Baron, ich muss schon sagen, ich weiß nicht recht«, begann er, nahm die Pistole jedoch mit spitzen Fingern entgegen.
    »Zum Zwecke der Abschreckung, und für alle Fälle«, sagte ich.
    Pavel protestierte. »Aber, Herr Baron, was ist mit Ihnen?«
    Ich hielt den Spazierstock in die Höhe; im Verteidigungsfall würde ich mich auf meine Kenntnisse als Degenfechter verlassen. »Sir Lysander und ich gehen aus.«
    »Wohin?«, fragte er wenig begeistert.
    »Zur Spurensuche auf den Petřín.«
    »Und Pavel hier mit unseren Hausgästen allein lassen?« Lysander tarnte seine Faulheit mit Menschenfreundlichkeit. »Und meinst du nicht, dass einer von uns zu Hause sein sollte, wenn Seine gräfliche Unerfreulichkeit oder Fräulein Lili vorbeikommen?«
    Diesem Einwand musste ich jedoch zustimmen: Lili war in entsetzlicher Verfassung gewesen, als wir den schwer verletzten Vampir – der glücklicherweise tagsüber in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf fiel – abtransportiert hatten. Auch wenn sie Buckingham gefürchtet hatte, so war er ihr ein Freund in der schwierigen Zeit des Heranreifens gewesen. Vielleicht hatte sie damals sogar ein wenig für ihren geheimnisvollen Besucher geschwärmt …

     
     
    Und so ging ich allein zum Postamt. Heute Morgen hatte mich ein Telegramm von Dr. Rosenstein erreicht, in dem er sich für die Verzögerung entschuldigte und mir eine Chiffre zukommen ließ, unter der ich ihn in der Centrale würde erreichen können.
    Während ich in der muffigen Kabine auf mein Ferngespräch wartete, beschloss ich, mir in absehbarer Zeit einen Telephonanschluss zu leisten: Mittlerweile war es in gehobenen Kreisen ein Zeichen enormer Rückschrittlichkeit, telephonfrei zu leben. In meinem Beruf würde es mir einige lästige Komplikationen ersparen. Vielleicht, wenn ich den

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