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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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beleidigt oder gar verletzt geklungen. Esther jedoch machte eine schlichte Feststellung. Ich sah sie unverwandt an: Wie vertraut, wie lieb waren mir die Einzelheiten
dieses Gesichts geworden: die breiten Wangenknochen, das Muttermal neben dem linken Nasenflügel, die Fältchen in den Augenwinkeln. Wie mochte sie aussehen, wenn ihre Schönheit verblüht war? Wenn sie nicht mehr begehrenswert war, wenn die Spuren all der vergangenen Nächte, all der verlorenen Versprechen sich in ihre Züge gegraben hatten? Mit einem Mal war mir, als sähe ich nicht nur Esther, meine teure Freundin vor mir, sondern auch das süße Mädchen, das sie gewesen und die Greisin, die sie einst sein würde. Vielleicht hatte es größere Lieben in meinem Leben gegeben – Leidenschaften, die sich an wilden Emotionen speisten, und rasch vergingen. Doch keiner war eine schmerzlose Vergangenheit inne gewesen; geschweige denn eine Zukunft.
    Nur so war es zu erklären, dass ich an jenem Vormittag, in einem Augenblick einmaliger Klarheit, jene Frage stellte, der für gewöhnlich heiße Liebesschwüre oder kühle Kalkulationen vorangingen: »Möchtest du mich heiraten?«
    Esther ließ einen Cremetiegel fallen. »Herrgott im Himmel«, stieß sie aus, erschüttert. »Was ist dir jetzt nur wieder eingefallen.«
    Nicht eben die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte.
    »Esther?«, fragte ich vorsichtig.
    Sie schüttelte den Kopf. »Pscht. Lass’ mich nachdenken. Ich such’ gerade nach einem Nein, das dich nicht allzu sehr in deinem Stolz verletzt.«
    Ich ging zurück zum Diwan, setzte mich und fühlte mich weniger gekränkt als grundlegend verwirrt.
    »Hör zu«, befahl Esther. »Ich freu’ mich schon, dass du mich fragst. Eine feine Schmeichelei ist das, und wenn ich heiraten tät’, dann ganz sicher niemand anderen als dich. Aber«, sie hob das Kinn, »Leut’ wie ich, die sollten nicht heiraten – und schon gar nicht Leut’ wie dich! Ein schönes Durcheinander käme da heraus, das versprech’ ich dir. Und glaub’ jetzt nur
nicht, dass ich heldenhaft entsage. Ich halt’s nur für eine recht blöde Idee, die Heiraterei!«
    Gegen meinen Willen musste ich lachen. »Sie nehmen mir meine impertinente Frage nicht allzu übel, Madame?«, ich spielte den gebrochenen Kavalier; worauf Esther sich auf meinen Schoß setzte und die Arme um meinen Hals schlang.
    »Jetzt mach’ du mir bloß nicht noch ein schlechtes Gewissen.«
    Ich murmelte in ihr weiches Haar: »Lass’ uns vergessen, dass ich jemals gefragt habe. Ich bitte dich.«
    Energisch schüttelte sie den Kopf. »Im Leben nicht! So ein hübsches Kompliment und ich soll’s vergessen. Das würde dir so passen.« Flink stand sie wieder auf. »So, und eigentlich bist du ja nur hergekommen, weil ich dich auf der Fuchsjagd begleiten soll, oder? Na, warum nicht. Schlafen kann ich nach so einer Szene sowieso nicht mehr.«
     
     
    Mit einem großzügigen Trinkgeld hatte ich den Billeteur der Talstation der Petřín-Seilbahn aus seinem Kassenhäuschen gelockt. Jetzt musterte er angestrengt die Photographie, die Mirko von der Wand der Vlcek’schen Wohnung entwendet hatte.
    »Sein könnte es schon, dass ich den gesehen hab’. Nur erinnern tu’ ich mich nicht mehr«, sagte er mit einer Endgültigkeit, die alle weiteren Fragen überflüssig machte, während quietschend und schaukelnd eine leere Gondel die Plattform erreichte.
    Als wir in gemächlichem Tempo in unserer Seilbahnkabine den Hügel hinaufruckelten, fluchte ich innerlich auf das Dutzendgesicht des abgängigen Herrn Leo Vlcek.
    Spätestens seit im Rahmen der Weltausstellung allerlei Kuriositäten und Attraktionen auf dem Petřín errichtet worden
waren, durfte der Hügel sich größter Beliebtheit bei sämtlichen Schichten der Prager Bevölkerung erfreuen: Junge und ältere Pärchen, Gouvernanten mit ihren anvertrauten Schützlingen, der eine oder andere körperbewusste Bourgeois, der den täglichen Spaziergang für eine ernste Pflicht hielt, Gruppen junger Mädchen und junger Herren, manche verstrickt in das Spiel der bedeutungsvollen Blicke und Gesten, tummelten sich an jenem strahlend blauen Sommertag in den Gärten.
    »Und jetzt?« Unternehmungslustig stemmte Esther die Hände in die Hüften, nachdem wir eilig die Seilbahn verlassen hatten und nun auf dem sonnenbeschienenen Vorplatz standen. Ihr riesiger Hut mit entschieden zu viel Blumenschmuck saß ihr nach einem Windstoß reichlich schief am Kopf. »Glaubst du wirklich, dass sich gerade

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