Des Teufels Maskerade
trägt, der in Blut und Schande erkauft worden ist, soll älter werden als der verräterische Ahn. Nein! Ich will sie erschlagen, einen um den anderen! Erst wenn einer aus dem Hause Trubic hilft, Böhmen in die Freiheit zu führen und dabei sein Leben lässt, soll der Fluch erlöschen!«
Sie lächelte traurig. »Schwörst du, zu leben und zu rächen, bis jener Tag gekommen ist? Bedenke wohl, bevor du antwortest.« »Ich schwöre.«
Sie trat zu ihm. Lange küsste sie seine Lippen.
»Es ist nicht recht, Blut mit Blut zu vergelten«, sagte sie zuletzt. »Und doch muss ich deine Entscheidung respektieren. Lebe wohl,
mein Fuchs, mein Streiter. Eines fernen Tages sollen wir einander wiedersehen.«
Und so erfüllte sich das Schicksal.
Eine Weile blieb ich noch bei Lišek. Dann kehrte seine Frau zurück (eine gänzlich andere, doch nicht minder erzählenswerte Geschichte), und das Band unserer Freundschaft begann sich zu lösen. Durch die Jahrhunderte versuchte Lišek den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung weiterzuführen. Er sammelte Anhänger und Gefährten um sich, gewöhnliche Sterbliche ebenso wie … andere; dass seine Bemühungen nicht erfolgreich waren, lehrt uns die Geschichte.
Er verbot mir bald, jemals seinen Aufenthaltsort oder seinen wahren Namen (Du wirst bereits vermutet haben, dass es sich bei »Lišek von Zdar« um ein Pseudonym handelt, Lili) zu nennen. Und bis zu seinem Tod bleibe ich an sein Wort gebunden. Zuletzt rief er mich nur noch zu sich, wenn seine Jugend schwand, wenn Krankheit oder Verwundungen ihn plagten. Dann trank er einen weiteren Tropfen meines kostbaren Bluts, um weiterzuleben, wie sein Schwur ihm befahl.
Meine Lili, in Deinen Ohren mag es seltsam klingen, was ich nun schreibe, aber Lišek war niemals ein böser Mensch. Hass und Zorn verflogen mit der Zeit. Alsbald schon graute ihm vor dem Fluch, den er so unbedacht gesprochen hatte. Unter Aufbringung all seiner Kraft stemmte er sich gegen den Drang zu morden, nach mir zu rufen, um sein Leben ein weiteres Mal zu verlängern. Du magst seinen Versicherungen glauben oder ihn für den verachtenswertesten aller Heuchler halten, Lili. Ich selbst habe schon seit langem erkannt, dass es Mächte gibt, die stärker sind als der freie Wille.
Meinem freien Willen hingegen entsprach es, mich Deiner Familie zuzuwenden. Ich hoffte, etwas von meiner Mitschuld zu begleichen,
indem ich jenen, die meine Freundschaft annahmen, zur Seite stand (Dein Vater gehörte im Übrigen nicht zu ihnen). Dass ich Dich, ein Mädchen, an dem der Fluch vorübergehen wird, kennenlernte, ist nur meiner Neugier zuzuschreiben. Oder vielleicht dem Schicksal, an das ich doch nicht glaube?
Einerlei – ich bete zu allen Göttern, die mich noch anhören, dass unsere Pfade sich nicht wieder kreuzen.
Adieu, Lili.
A. B.
AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, 4. JULI 1909
»Ach du lieber Himmel«, brach Felix, lange nachdem ich den Vortrag beendet hatte, unser betroffenes Schweigen. »Wenn diese abenteuerliche Geschichte der Wahrheit entspricht – wovon ich ausgehe; sie ist zu bizarr, um dem Reich der Phantasie zu entstammen –, dann bleibt mir keine andere Wahl, als mich in gebührender Eile für die böhmische Sache einzusetzen. Und das, wo mir vor Politik doch so sehr graut!«
15
PRAG 4. JULI 1909
AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, 4. JULI 1909
»Wir haben einen ohnmächtigen Chauffeur in der Küche und einen Sarg mit einem halbverbrannten Vampir im Salon. Tiefer kann man wirklich nicht sinken«, resümierte Lysander, der sich träge auf der Fensterbank räkelte, unsere Lage. »Ferner hat es besagter Bluttrinker zuwege gebracht, die verlogenste Lebensbeichte seit Napoleon abzulegen, und uns dennoch über Namen, Aufenthaltsort und genauere Pläne unseres Gegenspielers im Dunkeln zu lassen.« Eine Pause entstand, in der er ein Stück Konfekt lutschte und angestrengt nachdachte. »Ach, und unser reizender Auftraggeber hat sich endgültig als Geistesgestörter herausgestellt. Nicht, dass es mich weiter erstaunte.«
Pavel, der ohne nennenswertes Zartgefühl Salbe auf meine Brandwunden strich, stieß einen Grunzlaut aus.
»Du glaubst also nicht an Buckinghams Geschichte?«, fragte ich, die Spitze gegen Felix ignorierend.
»Glauben?«, wiederholte Lysander gedehnt. »Fürstin Libuša oder ihresgleichen schläft als uralte Vampirin irgendwo in den Katakomben des Hradschins, und hat einen heldenhaften Verrückten mit der Aufgabe betraut, Böhmen in die
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