Des Teufels Maskerade
hier ein paar Verschwörer zusammensetzen, um ihre Geheimnisse zu wälzen?«
»So man sich den Anschein von Harmlosigkeit verleihen will, ist eine Gegend wie diese eine gern genutzte Taktik«, dozierte ich. »Außerdem hat Leo in seinem Tagebuch davon geschrieben.«
»Schon gut«, antwortete Esther. »Ich hätt’ unsere illustre Gesellschaft nur anders eingeschätzt. Eher so, als würd’ sie gern ein bisserl mit dem Mysterium kokettieren.«
Nachdenklich nickte ich. Auch ich fand, dass wir es mit zwei Bildern zu tun hatten, die sich nur schwer vereinen ließen, die sich sogar widersprachen: Da waren all die Rituale, die Fuchsringe und die Symboliken und die Drohungen. Und auf der anderen Seite ein Lišek (so musste ich ihn wohl nennen, bis wir seinen wahren Namen erfahren würden), der laut Buckinghams Schilderungen seiner Blutschuld und seines Schwurs längst überdrüssig geworden war.
Hatte der Fuchs Nachahmer gefunden, die inzwischen ohne seine Befehle in seinem Namen agierten?
Esther gähnte demonstrativ in ein rosa besticktes Taschentuch
und gab mir so zum Ausdruck, dass meine schweigsamen Grübeleien sie langweilten.
In dem kleinen Gartencafé in einem Pavillon nahe der Bludište, einem scheußlichen pseudogotischen Burgimitat, waren wir endlich erfolgreich: Das rundliche Serviermädchen, dem ich die Photographie entgegenhielt, stellte ihr Tablett so schwungvoll auf der Theke ab, dass verschiedene Getränke ausschwappten. »Jesusmaria, na freilich kenn ich den Herrn! Das ist einer von denen, die seit neulich alle paar Tage hier vorbeikommen! Drinnen, im Extrazimmer sind sie immer gesessen.« Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und musterte mich feindselig von Kopf bis Fuß, so als sei jeder, der mit Leo Vlcek bekannt war, automatisch ihr Feind. »Eine feine Gesellschaft, hah!«
Professionelle Routine erlaubte mir, meine Aufregung zu verbergen, als ich mich in freundlichstem Tonfall an die junge Frau wandte: »Können Sie mir denn ein paar Fragen zu besagtem Herrn beantworten?«
»Wie von der Polizei schaun’S aber nicht aus, Herr …«
»Savic«, warf ich rasch mein gebräuchlichstes Pseudonym ein – eine späte Rache an jenem Mann, der Schuld daran trug, dass ich vor so vielen Jahren Familie und Ehre verlor. Ich entschied, weitgehend bei der Wahrheit zu bleiben. »Ich bin ein alter Freund der Familie Vlcek«, fuhr ich beruhigend fort. »Der Junge ist seit ein paar Tagen verschwunden, und wir gehen jeder Spur nach, um herauszufinden, ob ihm etwas zugestoßen ist.«
Sie verzog das Gesicht. »Vlcek? So heißt der Herr aber nicht.«
»Leo Vlcek«, wiederholte ich und zeigte ihr erneut die Photographie.
»Mir hat er aber gesagt, er wäre der Herr Leopold Lenkov«, nervös spielte sie mit den Bändern ihrer Schürze.
Esther an meiner Seite lachte leise. Vermutlich kam es ihr
ebenso sonderbar vor wie mir, dass unser junger Gesuchter dem Serviermädchen einen Namen verraten hatte. Doch meine Begleiterin verfolgte einen ganz anderen Gedanken: »So war das also, einen sauberen Herrn Kavalier haben’S sich da ausgesucht, der Ihnen nicht einmal seinen richtigen Namen nennt.« In uralter, komplizenhafter Geste legte sie der jüngeren Frau eine Hand auf den Arm. »Aber Leopold heißt er in Wahrheit auch«, fügte sie beschwichtigend hinzu.
Wenige Minuten später hatten wir uns mit dem Serviermädchen, das Mimi hieß, an einem wackligen Tischchen niedergelassen.
»Aber ich hab’ nur eine Viertelstunde Pause«, erklärte sie fast etwas trotzig. Schon von Natur aus kleingewachsen, kauerte sie nun so gebückt auf ihrem Sessel, als mache sie ernstlich Anstalten, sich hinter ihrem Weinglas zu verstecken. »Und trinken dürft’ ich während der Arbeit eigentlich auch nicht«, sagte sie und nahm einen großen Schluck.
Esther, der es wesentlich besser als mir gelang, das Vertrauen dieses schüchternen Geschöpfs zu gewinnen, beugte sich über den Tisch. »Also, Fräulein Mimi, was können’S denn über unsern Entschwundenen erzählen? Und über seine Freunde?«
»Seine Freunde?«, wiederholte sie verwirrt.
»Die Herren, mit denen er hier war«, sprang ich ein. »Die feine Gesellschaft, auf die Sie so schlecht zu sprechen sind. Wir glauben, dass sie eine tragende Rolle im Zusammenhang mit seinem Verschwinden spielen.«
»Ach so! Na, das waren seine Kollegen von der Universität, hat er gesagt.« Offensichtlich wurden in der Vorstellungswelt des kleinen Fräuleins Mimi keine
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