Des Teufels Maskerade
führen.
29. August 1896
Mit Waldhausen, Yosch und Trubic zum Diner bei dem Polizeipräfekten von Mostar. Süßer, schwerer Wein, der Gehirnwindungen verklebte und Zungen löste; Waldhausen gab eine Unzahl schwachsinniger Anekdoten aus seiner Karriere zum Besten, der Polizeipräfekt quittierte jede einzelne mit blökendem Gelächter. Der Abend endete in Freudenhaus von höchst mittelmäßiger Qualität – sehr junge Dirne, wenig kundig, aber eifrig.
Erst gegen Morgen zurückgekehrt. Kopfschmerzen, schlaflos. Trubic hat sich unter einem billigen Vorwand davongestohlen, als wir das Haus des Polizeipräfekten verließen. Kann mich nur über seinen Leichtsinn wundern.
9. September 1896
Erste Anzeichen, dass der Sommer sich seinem Ende zuneigt. Die Nächte sind etwas kühler geworden, die Tage indes verstreichen in altbekannter Eintönigkeit. Unternahm langen Ausritt mit Felix, den man in letzter Zeit kaum mehr zu Gesicht bekommen hatte.
Als ich ihn heute Nachmittag auf die Liebesangelegenheiten des Erzherzogs ansprach, tat er sehr amüsiert, ließ jedoch anklingen, dass Yosch und seine Kompanie von Schwätzern sich durchaus auf der richtigen Fährte befänden. Soweit ich Felix’ Worte richtig deutete, wollte er mir weismachen, es handele sich um die Beschaffung kompromittierender Dokumente, die in Zusammenhang mit der Existenz eines illegitimen Kindes und den erpresserischen Ambitionen einer Dame von zweifelhaftem Ruf stünden.
Nun konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu fragen, wie es dazu gekommen war, dass ein Graf Trubic sich damit verdingen muss, Aufträge wie den eben Geschilderten auszuführen. Woraufhin Felix mich wegen meiner strikten Ehrenkodici auslachte.
»Sehen Sie mich an, Dejan«, sagte er und richtete sich im Sattel seines Braunen zu voller, wenn auch noch immer nicht sonderlich beeindruckender Größe auf. »Ich versichere Ihnen,
wie Sie mich hier vor sich sehen«, mit einer beredten Handbewegung wies er von seinen schlammbespritzten Reitstiefeln bis zu dem Lockenhaar, »sehen Sie einen der letzten Abkömmlinge eines großen Adelshauses, das sich schon vor Hunderten Jahren dem Kampf seiner serbischen Heimat gegen die osmanischen Scharen verschrieb. Und sich dabei so gründlich ruinierte, dass die wenigen Verbliebenen ein gänzlich unwürdiges Dasein fern der Heimat zu fristen haben.«
Lächelnd fragte ich ihn in meiner Muttersprache: »Wie kommt es, dass Sie Tschechisch und Deutsch ohne Akzent sprechen?« Ich selbst würde meine Heimat nie verleugnen können, sobald ich den Mund öffnete.
»Ich bin in Prag und Wien aufgewachsen. Meine Familie unterhält seit vielen Generationen ein kleines Palais in Prag«, antwortete er mir in flüssigem, doch stark akzentuiertem Serbisch, das mich erneut unwillkürlich lächeln machte. »In Wien ging ich zur Universität, bis ein bedauerlicher Zwischenfall das vorzeitige Ende meiner Studien mit sich brachte.«
Irrte ich oder zwinkerte er mir bei diesen Worten zu? Vielleicht war auch nur ein Staubkorn in sein Auge geraten, und ich las in eine ganz alltägliche Geste einen Verschwörerbund.
Je mehr Zeit ich mit Felix verbringe, umso deutlicher wird mir, dass ein lange vergessen geglaubter Aspekt meiner Persönlichkeit sich wieder regt. Überdeutlich wird mir doch … Ja, weshalb zögere ich Narr, den Satz zu beenden? Schäme ich mich, es einzugestehen, fürchte ich die Macht des geschriebenen Worts über meinen Geist, meine Seele? Misstraue ich dem unschuldigen Weiß des Papiers, das einst zum Verräter werden mag? Gleichwohl, ich beginne zu begreifen, dass mein Verhältnis zu Trubic die Bande herkömmlicher Freundschaft zu übertreten im Begriff ist. Gewiss, noch ist nichts Ungebührliches geschehen, kein Wort, keine Berührung getauscht …
Dejan Sirco, armer Tölpel. Hast du nichts gelernt aus jenem fernen Tag, als ein junger Baron sich einer Tollheit wegen um Familie, Gut und Ehre brachte?
10. September 1896
Ärgerlicher Zwischenfall auf dem Exerzierplatz. Als zweiter Offizier in der Kommandohierarchie hatte ich den morgendlichen Übungen beizuwohnen, da Waldhausen noch seinen Rausch auszuschlafen gedachte. (Sein Diener meldete, der Major sei »unpässlich«, ein untrüglicher Beweis für die Richtigkeit dieser These.)
Die Kompanie hatte sich gerade denkbar schlecht gelaunt in der warmen Vormittagssonne auf dem erbärmlichen Sandplatz neben den Stallungen eingefunden, da flatterte eine entkommene Gans aus dem
Weitere Kostenlose Bücher