Des Teufels Maskerade
antwortete er mit einer Anekdote, die Talleyrand zugeschrieben wurde: Einmal habe der große Diplomat den klügsten Spion, der je in seinen Diensten gestanden hatte, als jungen Adeligen beschrieben, der, wenn man ihn nach seinem Beruf und Auftrag fragte, stets treuherzig zur Antwort gab, »Ich bin hier, um zu spionieren«. Eben jener junge Mann sei von niemandem
ernst genommen worden, sein Humor und seine Manieren wurden jedoch als so vollendet empfunden, dass man ihm letztlich sehr viel erzählte.
Die Lippen zu einem kleinen Verschwörerlächeln verzogen, sah Trubic mich an, und ich konnte nicht an mich halten, ihn zu fragen, wer sein Talleyrand sei.
»Also wirklich, Sirco.« Missbilligend schüttelte er den Kopf. »So naiv war er nun auch wieder nicht, unser kluger Spion.«
Reflexartig wanderte meine Hand an meine Hüfte zum Griff des Säbels, den ich an jenem Abend doch nicht trug. Ich glaube, für einen Augenblick wäre ich imstande gewesen, den unbewaffneten Trubic zu töten, hätte er mir gestanden, seinen Sold aus Feindeshand zu erhalten.
Auch Trubic bemerkte meine Geste; bestürzt ergriff er meinen Arm, zog mich einige Schritt zur Seite. »Sie missverstehen mich, Hauptmann«, beeilte er sich zu erklären. »Kaiser und Vaterland diene ich wohl …«
Seine hellen Augen schienen im Dunkel zu leuchten. Mit gespreizten Fingern kämmte er durch sein rotbraunes Haar, das ihm altmodisch und etwas weibisch bis zu den Schultern herabfiel.
»Wer sagt mir, Graf Trubic«, warf ich steif ein, »dass ich Ihrem Wort trauen kann?«
Seine Antwort bestand aus einem schallenden Lachen. »Oh, niemand, niemand!« Freundschaftlich schlug er mir auf die Schulter, ehe er sich, noch immer lachend, entfernte.
27. August 1896
Den ganzen Nachmittag mit Leutnant Yosch auf Patrouille. Keine nennenswerten Vorkommnisse, doch Yosch entpuppte sich als überraschend geschwätzig. Auch über Trubic wusste er Erstaunliches zu berichten. »Wissen Sie denn nicht, was sie über den Grafen erzählen?«
Sie , so beschloss ich, konnten nur die gemeinen Soldaten des Regiments sein.
»Von einem Erzherzog soll er beauftragt sein, in geheimer, privater Mission.« Yosch grinste wissend. »Eine Herzensangelegenheit. Mit so was verdient der Trubic sein Geld. Es ist eine Schande für einen Grafen, nicht wahr, Herr Hauptmann?«
Ich zuckte die Achseln, trieb meinen Schecken zu schnellerem Trab an. Die Dünkel und Vorurteile jener, die wie die Familie Yosch erst vor kurzem in den Adelsstand erhoben worden waren, waren mir ein Graus.
»Aber das Beste, das Beste hat der Herr Major vor ein paar Tagen erzählt.« Rasch hatte Yosch wieder aufgeholt, und ich musste gute Miene zum bösen Spiel machen.
Yosch grinste breit. »Ist Ihnen denn was aufgefallen am Trubic …«
»An Graf Trubic«, verbesserte ich ihn kalt.
Ergeben nickte Yosch. »Pardon, Herr Hauptmann. Am Grafen Trubic natürlich. Ob dem Herrn Hauptmann am Gehaben vom Grafen Trubic etwas aufgefallen ist, wollte ich sagen.«
Mir stieg das Blut zu Kopf. Auch ich hatte die Gerüchte vernommen, die unter den Soldaten kursierten – bedingt wohl zu einem nicht geringen Ausmaß durch Trubics Erscheinungsbild. Männer von großer körperlicher Schönheit und verfeinerten Manieren erweckten oft Misstrauen und Ablehnung in den Augen von Soldaten, die als Idealbild nach wie vor den starken Krieger verehrten.
Yosch schien mein Schweigen zu lange zu dauern. »Ein … Sie-wissen-schon ist er, sagt der Herr Major, auch wenn er es nicht beweisen kann. Aber fast jede Nacht macht sich der Trubic davon, in die Stadt; und einmal wurde er gesehen, wie er sich in einer üblen Kaschemme mit einem sehr hübschen jungen Mann getroffen hat, das Schwein.«
Abwesend habe ich Yosch zugenickt, doch eine Frage lässt mich seither nicht los: Warum treibt Trubic sich nachts in dubiosen Lokalitäten herum? Ich bin der festen Überzeugung, dass nicht die Befriedigung körperlicher Gelüste im Vordergrund dieser Unternehmungen steht.
Ich hätte nicht übel Lust, Trubic einmal selbst zu folgen, um herauszufinden, was er wirklich tut. Trotz aller Sympathie – die im Übrigen wohl auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint – traue ich ihm nicht über den Weg. Würde er eines Tages als Spitzel einer feindlichen Macht enttarnt, oder mit zerschnittener Kehle in der Gosse gefunden, ich wäre nicht sonderlich verwundert. Männer wie Trubic, das scheint mir unumstößlich, pflegen kein langes, erfülltes Leben zu
Weitere Kostenlose Bücher