Des Teufels Maskerade
nahegelegenen Hühnerhof des benachbarten Bauernhauses zu uns herüber. So dicht an der Schnauze meines schreckhaften Schecken vorbei, dass dieser stieg, als ich mich eben in den Sattel schwingen wollte – einen Fuß bereits im Steigbügel. Nachdem es mir nicht mehr möglich war, mich zu befreien, stürzte ich rücklings in den Staub, verrenkte mir dabei schmerzhaft das linke Fußgelenk und zog mir eine mächtige Beule am Hinterkopf zu. Richtiggehend benommen muss ich wohl eine Zeit lang im Sand gelegen sein, während Yosch und einige der Soldaten sich um mich bemühten. Gleichwohl meine ich recht hämisches Gelächter vernommen zu haben. Beliebt, das habe ich bereits festgestellt, bin ich hier weder bei den Soldaten noch bei Waldhausen. Einzig Trubic schätzt mich.
Dieser kam mich auch in meinem Quartier besuchen, wenige Minuten nachdem der eilig herbeigerufene Arzt mich verlassen hatte. (Vierundzwanzig Stunden Bettruhe hat er mir aufgrund der leichten Gehirnerschütterung verordnet und meinen Knöchel so dick bandagiert, dass ich ohnehin keinen Stiefel tragen könnte.)
Mit halb amüsierter und halb besorgter Miene stand Felix in der Tür zu meinem Schlafzimmer, eine Augenbraue fragend gehoben. »Angriff durch einen feindlichen Flugkörper, Sirco?«
Ich war, ohnehin reizbar und geladen wegen des peinlichen Missgeschicks, nahe daran, ihm den Aschenbecher, der auf meinem Nachttisch stand, an den Kopf zu werfen. »Ich werde leben«, konterte ich stattdessen, »auch wenn es knapp war.«
Zwanglos ließ er sich auf der Bettkante nieder.
»Das will ich doch hoffen«, bemerkte er, und ein höchst eigentümlicher Ausdruck, den ich zu jenem Zeitpunkt ebenso wenig deuten konnte, wie ich dies jetzt zu tun vermag, zeichnete sich in seinem kantigen Gesicht ab. »Vergessen Sie nicht, Sie sind der einzige halbwegs zivilisierte Mensch, mit dem ich mich gegenwärtig unterhalten kann. Waldhausen ist ein Idiot, Yosch ebenso und generell scheinen die interessanten Menschen hier nicht sonderlich dicht gestreut – zumindest habe ich noch nicht viele von ihnen entdeckt.«
Mein Kopf pochte peinvoll, als ich mich aufsetzte. Sehr vorsichtig lehnte ich mich an die Wand. »Dafür gehen Sie recht häufig aus«, stellte ich trocken fest.
»Oh, der gute Yosch hat geplaudert!«, rief er, wie ich fand, unangemessen erheitert aus. »Der Leutnant beging doch tatsächlich die Ungeschicklichkeit, mir vor einigen Tagen nachzuschleichen, als ich mich zu später Stunde in die Stadt begab. Sie können sich nicht vorstellen, wie entsetzt er war, als ich ihn
ansprach und in eine Unterhaltung verwickelte. Ich glaube wirklich, dieser arme Tropf war davon ausgegangen, ich würde ausziehen, um Seele und Vaterland an den Meistbietenden zu versteigern.« Ernst geworden sprach er weiter. »Als ob Interessenten für derartige Ware sich ausgerechnet hier versammelten.«
Er schlug die Beine übereinander, bot mir eine Zigarette an. Für den Bruchteil einer Sekunde berührte ich seine Hand, die das altsilberne Zigarettenetui hielt, und zuckte unwillkürlich zurück. Er riss mir ein Streichholz an, neigte sich vertraulich zu mir. »Ich will Ihnen ein Geheimnis verraten, Dejan. Interessante Gesprächspartner suche ich nicht auf meinen nächtlichen Erkundungszügen.«
»Das Fleisch ist schwach?«, fragte ich mit einem leisen Grinsen, das er prompt erwiderte.
Genüsslich zog ich an der höchst gewöhnungsbedürftigen Zigarette – eine französische Marke. Felix liebt und lebt die Dekadenz bis in die kleinsten Details; ich kann es ihm kaum verübeln.
Abrupt erhob er sich dann vom Bett. »Ich werde Sie jetzt in Frieden lassen, Dejan. Ruhen Sie sich aus, ich will Sie morgen wieder auf den Beinen sehen.« Mit diesen Worten wandte er sich zum Gehen.
11. September 1896 (möglicherweise)
Tiefe Nacht. Ich schreibe im flackernden Schein einer einzelnen Kerze. Wo ich meine Taschenuhr abgelegt habe, vermag ich nicht mehr zu sagen, so dass es mir gegenwärtig verwehrt
bleibt zu verifizieren, ob ich mich noch im Heute oder schon im Morgen befinde. Und was für eine Rolle spielt es? Wahnsinn hat von mir Besitz ergriffen, blanker Wahnsinn, Tollheit in ihrer irrwitzigsten Form. Ich weiß nun, ich bin geschaffen für ein Dasein in der Hölle, an die ich doch nicht zu glauben vermag. So schwach, so dreist …
Oh, wie verfluche ich den Augenblick, als ich, noch zu recht früher Abendstunde, mein stickiges, enges Gemach nicht mehr auszuhalten meinte. Meinen Diener
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