Des Teufels Maskerade
kleineren der beiden gottergeben mit den Achseln zucken, als ihn eine Gruppe zerlumpter Kinder neugierig umrundete und ein aufgeregtes Huhn über den Bahnsteig lief.
Bei dem Anblick der beiden Offiziere kehrte der Gedanke zurück, dass allein Lysanders Ottergestalt und damit einhergehender Mangel an Satisfaktionsfähigkeit ihn und mich vor dem betrüblichen Ende einer Freundschaft bewahrte; jeden anderen Herrn von Stand hätte ich für diesen Brief zum Duell fordern müssen. Und bei Gott, es hatten schon genug Ehrenfragen mein Leben in Scherben zurückgelassen.
Wie die Dinge gegenwärtig standen, blieb mir nur zu hoffen, dass Lili naiv und harmlos genug war, die volle Bedeutung von Lysanders Worten nicht zu erfassen.
An diesem Tag begann ich einen Brief an Felix Trubic. Ich habe ihn niemals abgeschickt.
Felix,
so viel Vergangenheit, die zwischen uns liegt; nun bittest Du mich einmal mehr, zurückzublicken in die Geschichte und den Fluch Deiner Familie zu lösen. Ich werde tun, was immer in meiner Macht steht. Ich glaube Dir, wenn Du mir Vertrauen schwörst, Dein Leben in meine Hand legst.
Dich zu fragen, ob Du Dich noch dieses einen Herbstmorgens erinnerst, als Zorn und Enttäuschung so heiß kochten, dass sie
nach einem Blutopfer verlangten, hieße, Deine Intelligenz zu beleidigen. Aber entsinnst Du Dich auch noch des verschlungenen Pfades aus Leichtfertigkeit, Trug und Kränkung, der uns zu jenem morgendlichen Rendezvous führte?
So viele Worte, so viele Taten und gab es einen Schuldigen, ein Opfer?
Ich habe vergessen, was ich vergessen musste. Alles, was bleibt, ist die bittere Sinnlosigkeit eines Septembertages.
Heute verstehe ich Dich ebenso wenig, wie ich Dich damals verstanden habe: Du wirst mir auf immer ein Rätsel bleiben, Felix Trubic, Herr der tausend Gesichter, der Du so gekonnt tanzt auf dem Maskenball des Teufels.
Ich glaube, was ich damit sagen möchte, ist, dass ich Dir vergebe. Selbst, wenn es nicht Deine Schuld war.
»… wie aber ein Dromedar bändigen, das, während es das Mobiliar des Salons demolierte, immer stärker in Rage geriet?«, drang der Höhepunkt einer nur allzu vertrauten Geschichte an mein Ohr, als mir die Tür zu unserer Suite geöffnet wurde und der Hotelpage, die Taschen voller Münzen, sich dankend davonmachte.
Ich seufzte. Wenn Lysander Zuflucht in die Fülle bizarrer Anekdoten nahm, die ihm sein Jahr mit Mr Crowley beschert hatte, standen die Dinge für gewöhnlich nicht zum Besten.
»Baron Sirco?« Ein adretter junger Mann mit flachsblondem Haar und abgetragenem Anzug trat mir entgegen.
Lili Trubics Pianist, zog ich die naheliegende Schlussfolgerung, während ich linkische Verbeugungen und ebenso linkisches Entschuldigungsgestammel über mich ergehen ließ. Der Redeschwall hielt erst inne, als er sich bückte, um meine Reisetasche aus dem schmalen Vorzimmer zu befördern – eine Geste devoter Ehrerbietung, die ich zu ignorieren vorzog.
»Dejan!« Lysander hatte seine Erzählung unterbrochen und hoppelte mir entgegen.
Ich bedachte ihn mit einem kühlen Blick, der, wie ich hoffte, von »wir unterhalten uns später« bis »der Tag, an dem du ein Muff wirst, ist endlich gekommen« alles heißen konnte, und schritt an ihm vorbei in den Salon. Dort waren bereits Nuancen des Durcheinanders, das meine beiden Kameraden gleichermaßen wie einen Rattenschwanz hinter sich herzuziehen pflegten, eingekehrt: Lysanders extensive Reiseliteratur fand sich neben Tageszeitung, Illustrierten und einem Tarotspiel auf dem Boden verstreut; ein ausgebreiteter Straßenplan der Wiener Innenstadt okkupierte den Couchtisch (was jedoch niemanden daran gehindert hatte, ein Teeservice darauf abzustellen); Rauchwaren und Schreibzubehör waren mit Bedacht auf einem Lehnstuhl zu einem Stillleben arrangiert worden, und aus gänzlich unerfindlichen Gründen saß ein Zylinder auf dem Fensterbrett. Ich nahm an, dass Mirko sich zu einem Opernbesuch entschlossen und sich dementsprechend ausgestattet hatte. Mirko, der im Übrigen nicht zu sehen war. Was mir, um der Wahrheit Genüge zu tun, nicht ungelegen kam; hätte ich doch in jenem Augenblick wahrlich nicht gewusst, was mit ihm zu tun war – außer vielleicht, ihn zu ohrfeigen, wie Esther mir empfohlen hatte.
Die kleine Trubic hatte sich hingegen wie hingegossen auf dem Diwan drapiert.
»Fräulein Trubic, Sie ahnen nicht, wie hocherfreut ich bin, dass wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht begegnen«, grüßte ich mit leiser
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