Des Teufels Maskerade
Ironie.
Das Mädchen setzte sich auf und neigte den Kopf. Im Gegensatz zu dem, was Lysander mir berichtet hatte, schien sie mir keine rechte Schönheit – etwas zu rundlich, etwas zu klein geraten, das Gesicht kindlich und stupsnasig. Im besten Fall ließ sich eine gewisse Ähnlichkeit zu einer, vom künstlerischen
Standpunkt nicht gänzlich gelungenen Porzellanpuppe herstellen; ein unerfreulicher Effekt, der durch ihr hochgeschlossenes Sommerkleidchen, dessen Schneider in Rüschen, Bändern und Schleifen nur so geschwelgt hatte, verstärkt wurde.
Den Eindruck mädchenhafter Sanftmut indes wusste sie zu widerlegen, kaum dass sie den Mund öffnete. »Ich denke, ich müsste lügen, wenn ich sagte, das Vergnügen sei ganz auf meiner Seite«, antwortete sie schnippisch. »Aber nachdem meine Erziehung tadellos war, bleibt mir wohl nichts anderes übrig.«
Beinahe hätte ich gelacht. Das Kind hielt sich für eine Kämpferin! Schon aus diesem Grund beschloss ich, etwas Nachsicht walten zu lassen. Vorerst.
»Um ein Missverständnis auszuräumen: Es ist keineswegs mein Anliegen, Sie nach Prag zurückzubringen.« Ich wies auf Lysander, in dessen schwarzen Knopfaugen Verwirrung schimmerte. »Das war die Mission, die sich mein ehrenwerter Freund hier selbst zugeteilt hat. Mir persönlich geht es nur darum, meinen Fall zu lösen.«
Und das Rennen zu gewinnen, setzte ich in Gedanken hinzu. Wie gut uns Trubic auch immer entlohnen mochte (falls ich überhaupt gewillt war, Bezahlung von ihm zu fordern; in dieser Hinsicht hatte ich mich noch nicht entschieden), der Sieg bei einem großen Automobilrennen war doch um einiges lukrativer.
»Dann bin ich nicht Ihr Fall, Baron?«, vergewisserte sich Lili.
Ich heuchelte Erstaunen. »Aber gewiss nicht, Fräulein Trubic. Wie kommen Sie nur auf den Gedanken, wir würden uns mit jungen Damen, die mit ihren Galanen dem Elternhaus entfliehen, befassen?« Zufrieden registrierte ich, wie sich ihre Wangen röteten. »Selbst der Vorfall mit dem Vampir ist per se nicht ausreichend, um mein kriminalistisches Interesse zu wecken. Ein verrückter Bluttrinker benimmt sich so, wie man es von
ihm nun einmal erwartet – er äußert düstere Drohungen und Rätsel. Womit sonst kann sich seinesgleichen die Zeit vertreiben? Aber im Zusammenhang mit meinem eigentlichen Fall gewinnt all dies natürlich an Relevanz. Schließlich scheint Ihre Familie, Fräulein Trubic, in jüngster Vergangenheit eine geradezu magische Anziehungskraft für tragische Absonderlichkeiten entwickelt zu haben.«
Erschöpft hielt ich in meiner Rede inne, musterte Lili Trubic.
»Ich …«, sie stockte; scheinbar frohgemut wechselte sie das Thema. »Baron Sirco, es tut mir wirklich leid, dass mein lieber Freund hier ein derart unbeholfenes Wesen an den Tag legt. Ich glaube tatsächlich, er hat sich wortreich für seine Anwesenheit in diesem Hotel, ja für seine bloße Existenz auf Erden entschuldigt, ohne dabei auch nur seinen Namen zu nennen.« Sie lachte schelmisch, gekünstelt.
Ihr ungeschickter Klavierspieler schien Lili das harsche Urteil über seine Persönlichkeit nicht übelzunehmen. Im Gegenteil, er bedachte sie mit einem kleinen Lächeln, ehe er ein weiteres Mal vor mir den Kopf neigte und sich als »František Čapek« vorstellte.
Eine peinvolle Viertelstunde später, die wir mit dem Austausch von Nichtigkeiten, welcher allgemein als »Konversation« zusammengefasst wird, zugebracht hatten, überwand ich mich endlich und erkundigte mich beiläufig über Mirkos Verbleib.
Lysander ließ den Keks, an dem er geknabbert hatte, zielsicher in seine Teetasse fallen. Seine Ohren zuckten nervös. »Er meinte, er wolle spazieren gehen. Das war allerdings schon vor ein paar Stunden. Vermutlich versucht er erneut, im Café Herrenhof einen Tisch im prestigeträchtigen hinteren Salon zu bekommen.«
»Vermutlich.«
Ich ließ Lysander, der verlegen mit dem Teegeschirr klapperte, nicht aus den Augen; erst, als sein Schweigen ein gequältes Timbre annahm, wandte ich mich ab.
»Und nun muss ich mich entschuldigen«, ließ ich unsere sonderbare Teegesellschaft wissen. »Ich gehe davon aus, dass die Mannschaft des Marchese bald eintreffen wird, um sich meines Wagens anzunehmen.«
Lili Trubic löste sich aus der apathischen Trance, in die gesittete Unterhaltung auch sie offenkundig versetzte. »Sie werden wirklich an der Grand-Prix-Fahrt teilnehmen?«, fragte sie mit einem Mal interessiert.
»Diese Intention hat mich nach
Weitere Kostenlose Bücher