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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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aufbringen können. Und doch musste ich um jeden Preis eine Weitergabe der Schriftstücke verhindern: So versprach ich dem kürzlich verwitweten Waldhausen die Hand meiner Tochter . An ihrem achtzehnten Geburtstag, dem ersten Juli dieses Jahres, hätte
die Hochzeit stattgefunden, am selben Tage wären die Schriftstücke an mich übergeben worden, und nach meinem Tode wären sämtliche Güter der Familie Trubic an ihn gefallen. So einfach war der Plan.«
    Mit einem leisen Klirren zerbarst mein Cognacschwenker auf dem Parkett. »Du hast deine Tochter verkauft – für ein paar Dokumente?«
    Plötzlich war Felix neben mir; er ließ sich auf der Lehne meines Sessels nieder und legte eine Hand auf die meine.
    »Du hast Lili an Waldhausen verkauft«, wiederholte ich fassungslos. »Um den Preis von ein paar Geheimnissen, an die die Öffentlichkeit ohnehin nicht geglaubt hätte. Oh, versuch es doch!«, ereiferte ich mich. »Erzähl den Leuten von deinen Spionagediensten in okkulten Angelegenheiten, erzähl ihnen vom Krieg des Alten Volkes und von deinen gottverdammten Drachen! Weißt du, was sie tun werden? Sie werden dich auslachen und einen Narren heißen. Und um diese Menschen zu schützen, willst du deine Geheimnisse verkauft haben?«
    Felix’ kalte Finger bewegten sich über meinen Handrücken. Ich ignorierte sie mit aller Macht. Mein Lachen überraschte mich selbst: Es war ein sonderbarer Laut, hart und böse. »Ging es dem Grafen Trubic nicht vielleicht eher darum, seine Karriere zu schützen?«
    Glas knirschte unter meinen Stiefeln, als ich die Sitzposition veränderte.
    Felix schwieg und bewegte sich nicht; nur sein schmaler Brustkorb hob und senkte sich im Takt jedes schweren Atemzugs.
    Mit erzwungener Ruhe sprach ich weiter. »Du hast etwas übersehen: Du warst fast zehn Jahre jünger als Waldhausen. Die Wahrscheinlichkeit, dass du vor ihm sterben würdest, stand vernichtend gering, selbst ohne mörderische Intervention.
Weshalb also war er dumm genug, sich auf einen derartigen Handel einzulassen?«
    Mit müder Eleganz erhob sich Felix, ziellos schlenderte er durch den Raum. Vor dem Heldenporträt eines seiner Ahnen blieb er schließlich stehen. »Schau mich doch an, Dejan«, sagte er, und in seiner Stimme lag beinahe ein Lächeln. »Was siehst du da noch?«
    Mittlerweile war es sehr dunkel geworden in der Bibliothek, doch keiner von uns konnte sich entschließen, die Lichter einzuschalten. Und ich brauchte kein Licht, um zu verstehen: Unzählige Abenteuer und Verwundungen hatten mit den Jahren ihren Tribut gefordert. Wie er jetzt vor mir stand, war er kaum mehr als ein müdes Gespenst des Mannes, den ich einst kennengelernt hatte, im Herbst, in Mostar.
    »Ich glaube nicht, dass Waldhausen so dumm war«, sagte Felix. »Außerdem war es das beste Angebot, das ich ihm machen konnte. Er wäre ein Tor gewesen, nicht darauf einzugehen.«
    Ich schüttelte den Kopf; zwang mich, endlich, Erinnerungen und Gefühle hinter mir zu lassen, und meine Gedanken wieder auf den Fall, der vor mir lag, zu fokussieren. »Was geschah mit den Dokumenten?«
    Für einen Moment nur stahl sich sein altes, unbekümmertes Grinsen zurück in seine Züge. »Verbrannt. Nachdem Waldhausen sie zwei Jahre so gut versteckt hielt, dass es selbst mir nicht gelungen war, sie durch allerlei Schurkereien in meinen Besitz zu bringen, war er nun ungeschickt genug, sie in einem Tresorfach am Hauptbahnhof zu verwahren, dessen Schlüssel er an einer Kette am Leib trug.«
    Gedankenverloren strich er mit zwei Fingern seinen Kragen entlang, tastete nach der Silberkette, von der er sich nicht trennen konnte, an der ein kleiner, unscheinbarer Ring mit dem Fuchs hing, den er wie ein magisches Kleinod hütete …

    Schon drohten die Erinnerungen mich einmal mehr zu überwältigen. Rasch erhob ich mich und vermied es dabei, Felix ins Gesicht zu sehen. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er eine Hand hob, als wolle er mich zurückhalten; dann ein gemurmeltes Adieu, und die Tür fiel hinter mir ins Schloss.
    Mit pochendem Herzen verharrte ich auf dem dunklen Gang, während in der Bibliothek ein weiteres Glas zerbrach.

6
WIEN UND PRAG 24. BIS 26. JUNI 1909

    Wien, am 24. Juni 1909
     
    Dejan, alter Freund,
    Dein Telegramm wurde sowohl in Empfang als zur Kenntnis genommen, wenn auch nicht restlos verstanden. Was jedoch kaum meinem potenziellen Mangel an Intellekt, als vielmehr Deinem Unwillen, Sachverhalte in präzise Worte zu fassen zuzuschreiben ist. Den

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