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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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wenigstens um seine Sachen zu holen«, wechselte Lysander das Thema. »Kein Gentleman verschwindet nur mit ein paar Kronen im Portemonnaie und ohne Wäsche zum Wechseln. Und wenn wir Mirko irgendetwas beigebracht haben im Leben, dann wohl das, sich wie ein Gentleman zu verhalten.«

7
WIEN UND PRAG 27. BIS 28. JUNI 1909

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, WIEN, 27. JUNI 1909
    Am nächsten Vormittag, wir hatten kaum unser Frühstück beendet, beehrte uns der Marchese ohne Voranmeldung oder Warnung mit seinem Besuch.
    Es sei Ehrensache, teilte er mir mit, während er seine lächerliche Kappe zurechtbog, dass er mich begleiten würde, wenn ich die Strecke besichtigte. Wenig begeistert fügte ich mich in mein Schicksal, obschon ich Zweifel hatte, wie es mir in der Gesellschaft des Marchese gelingen sollte, die Einzelheiten der Rennpiste zu memorieren.
    Der Marchese war in bester Stimmung – er rechnete sich reelle Chancen aus, dass einer seiner vier Fahrer das Rennen gewinnen konnte. Unablässig plauderte er; noch bevor wir die Hotelhalle durchquert hatten, wusste ich bis ins kleinste Detail Bescheid über die Modifizierungen, die seine Techniker gestern noch an meinem Wagen vorgenommen hatten, nachdem sie ihn zu der Lagerhalle in unmittelbarer Nähe des Praters übergeführt hatten, wo der Marchese sein »Stabsquartier«, wie er es hochtrabend nannte, eingerichtete hatte. Er sprach über seine Befürchtungen (ich beschloss, nicht mehr hinzuhören, wenn er meinen Benz als »veraltetes Modell« titulierte) sowie über sein grenzenloses Vertrauen in meine rennfahrerischen Fähigkeiten.
    »Mit Ihrem Können, Baron, haben Sie auch mit unterlegenem Material eine Chance«, schloss er im Brustton der Überzeugung.

    Ich dankte ihm, was den Marchese wiederum zu verärgern schien.
    »Fiat!«, brüllte er ohne ersichtlichen Grund. »Das ist die Zukunft! Sie sitzen in der Vergangenheit!«
    Aufgrund der Lautstärke, in der er sein sportliches Credo vorgetragen hatte, fiel uns so mancher verstohlene Blick zu; hier ein Flüstern, dort ein Fächerschlag, eine Dame mit Zigarettenspitz plusterte eifrig ihr Gefieder – zufrieden sonnte sich der Marchese in der Aufmerksamkeit.
    Vor dem Hotel erwartete uns bereits sein Wagen: ein überraschend altmodisches Fahrzeug. Es trug noch Elemente der Kutschenoptik, von der sich der Automobilbau erfreulicherweise seit einem Jahrzehnt zu lösen begann.
    Der Marchese sah meinen skeptischen Blick. »Spezialanfertigung aus dem Jahre 1901. Der Motor ist neu«, erläuterte er stolz. »Wurde mir erst vor ein paar Tagen aus Triest überstellt.«
    Noch bevor ich entscheiden konnte, ob meine Fehleinschätzung einer Entschuldigung bedurfte, war der Chauffeur in Livree zu uns getreten, öffnete den Schlag und scheuchte mit einer ungeduldigen Handbewegung eine kleine, zerzauste Krähe davon, die Anstalten machte, auf den dunklen Ledersitzen zu landen.
    »Herr Baron«, grüßte er fast ein wenig ehrfurchtsvoll, dabei neigte er den Kopf weiter, als notwendig gewesen wäre.
    Beinahe hatte ich in meiner langen Abwesenheit von den Rennstrecken der Welt vergessen, dass ich – eine Zeit lang, in gewissen Kreisen – so etwas Ähnliches wie ein Held gewesen war. Nicht, dass die Bilanz meiner bisherigen sportlichen Karriere eine sonderlich bemerkenswerte gewesen wäre: Drei Siege bei Dutzenden Rennteilnahmen, ein schwerer Unfall und einige Turbulenzen: Mein Sieg auf dem englischen Brooklands-Kurs hatte mir vor zwei Jahren eine kurze, aber heftige Liaison eingetragen, ein lächerlicher Unfall bei einem Rennen
von Paris nach Rouen, als mein Wagen unerklärlicherweise ein Rad verloren hatte, eine Duellforderung.
    Mit den Jahren hatte ich aufgehört, die Begräbnisfeierlichkeiten von Mitstreitern zu besuchen, wenngleich sich die Todesnachrichten in den Schubläden meines Schreibtischs stapelten. Souvenirs, hätte sie der Marchese vielleicht genannt.
     
     
    Um der Wahrheit Genüge zu tun, ich konnte Wien nicht leiden. Auch konnte ich mich von jeher nicht des Gefühls erwehren, dass die Kaiserstadt genau dasselbe für mich empfand. Ein paar Wochen hatte ich hier gelebt, nach meiner ehrlosen Entlassung aus der Armee, ehe Felix mich ausfindig gemacht hatte und mich einlud, nach Prag zu kommen. Ein paar Wochen, die ich vornehmlich in meinem Mansardenzimmer zugebracht hatte, geächtet und allein wie nie zuvor.
    Eine gewisse Abneigung gegen die Stadt war mir seither geblieben, da half auch der Glanz eines Sommervormittags

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