Des Teufels Maskerade
Barthaaren.
»Sie fand einen, der hübschere Briefe schreiben konnte.« Rosenstein ließ den Deckel der Truhe zuschnappen. »Ein liebendes Paar will also Ihren Tod, Baron. Wäre das Ganze ein Roman, dann müssten Sie eigentlich der Schurke sein.« Er nahm auf der Truhe Platz, zwinkerte mir zu. »Oder wenigstens in den
Diensten des Schurken stehen. Zwei romantisch Liebende sind jedenfalls stets die Helden.«
»Vielleicht, Doktor. Vielleicht.« Irgendwann im Laufe der vergangenen Nacht hatte ich kurz mit dem Gedanken gespielt, ihm zu erzählen, dass ich im Auftrag Felix Trubics arbeitete, der für den jungen Mann durchaus in der Sphäre der Halbgötter und Heroen wandelte. Doch zuletzt hatte das Berufsethos gesiegt, denn gleich, was geschah und wie man zu ihnen auch stehen mochte, die Identitäten und Geheimnisse von Klienten mussten immer geschützt und bewahrt werden.
Ein Klopfen an der Tür.
»Doktor Rosenstein!«, rief eine nur allzu bekannte, jugendliche Stimme. »Mir wurde gesagt, ich solle mich wegen der Dame von vorgestern an Sie wenden?«
Energisch stellte Rosenstein seine Tasse ab. »Aber ja doch! Kommen Sie nur herein«, und dann stand Mirko im Türrahmen.
Ich müsste lügen, wollte ich behaupten, mich hätte damals irgendeine erkennbare Motivation getrieben, als ich dem Gassenjungen aus der Vorstadt von Brünn anbot, ihn aufzunehmen und zum professionellen Detektiv und Spitzel auszubilden – ich war schlichtweg einer Laune gefolgt. Seine flinken Finger, sein wacher Geist waren ausschlaggebend gewesen: Wenn Prometheus sich schon die Mühe machen wollte, seinen Menschen zu formen, dann durfte er sich wohl zugestehen, mit dem bestmöglichen Rohmaterial zu arbeiten. Alsbald schätzte ich ihn als Schüler, als tapferen kleinen Gefährten im Abenteuer, aber niemals im Leben wäre ich auf den geschmacklosen Gedanken gekommen, ihn auf den Pfad der Laster meiner Jugend zu führen, wie er und Lysander mir gleichermaßen unterstellten.
Dass Mirko nicht mit meiner Anwesenheit gerechnet hatte, lag auf der Hand: Er wurde blass, doch hatten wir ihn gut erzogen; er fing sich rasch, wünschte einen guten Morgen und
mied meinen Blick. Ich registrierte, dass er einen Anzug trug, den ich nicht kannte.
»Du hast meinen Brief bekommen?«, platzte Mirko heraus.
»Allerdings«, erwiderte Lysander. Unruhig klopfte er mit dem Schwanz auf die Sofapolsterung
Rosenstein, dem die Spannung nicht entgangen war, blickte mich fragend an. Ich würde keinen detailgetreuen Abriss der jüngsten Ereignisse geben; handelte es sich doch um keinen geeigneten Zeitpunkt, um herauszufinden, ob mir die Rolle des skandalösen alternden Dandys zu Gesichte stand. Stattdessen erhob ich mich. »Nun gut. Finden wir heraus, ob Milena sich von dem jungen Herrn von Zdar zu einem Geständnis bewegen lässt.«
Rosenstein geleitete uns durch schmale, verwinkelte Korridore, über enge Wendeltreppen, vorbei an Arbeitsräumen, Archiven und einer ganz besonderen Tür – durch die man, weil der dazugehörige Balkon niemals errichtet wurde, aus dem dritten Stock geradewegs in den Hof gelangte – abwärts. Ich war mir sicher, dass hier mehrere Architekten auf einmal ihre künstlerischen Alpträume verarbeitet hatten. Noch niemals zuvor hatte ich ein derart hässliches staatliches Gebäude betreten: Dieses aus mehreren Wohnhäusern zusammengewürfelte Monstrum legte bald die bürokratische Biederkeit einer provinziellen Verwaltungsbehörde, bald den bizarren Charme eines verlassenen Irrgartens an den Tag.
Endlich gelangten wir durch eine mit mehreren Schlössern und Riegeln gesicherte Tür in den Keller der Centrale des k.u.k. Departements für Okkulte Angelegenheiten, wo wir alsbald vor einer absonderlichen Kerkerzelle standen und darauf warteten, dass sich die Flüche der Vilja endlich erschöpften. Wobei sie über einen unbestreitbaren Erfindungsreichtum bei der
Kreation neuer Schmähworte verfügte und diese von solcher Vulgarität waren, dass sich über Dr. Rosensteins Wangenknochen hektische rote Flecken bildeten. Während ich einen Anflug von Langeweile nicht unterdrücken konnte, grinste Mirko über Lysanders missbilligend gerümpfte Nase.
»Halt«, warf Mirko nach einer Weile ein. »Sie wiederholen sich. Sie haben uns schon einmal als …«
»Danke«, unterbrach ich rasch, als die Vilja tatsächlich in ihrer Tirade innehielt.
Mit verschränkten Armen thronte sie auf der abgewetzten Récamiere, die neben Waschtisch und einem in
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