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Des Teufels Maskerade

Des Teufels Maskerade

Titel: Des Teufels Maskerade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlederer Victoria
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Lidschlag noch einen Helm getragen hatte und
sein Haar verdeckt war. Auch war er mit Rüstung und Umhang angetan gewesen. Jetzt trug er einen hellgrauen Anzug nach der letzten Mode, sein Schwert war einer kleinen Pistole gewichen.
    Ich unterdrückte ein Keuchen, bezwang den Impuls, aufzuspringen und zu flüchten. Ich schalt mich einen Narren: Denn nur einen wahren Toren versetzte es in Erstaunen, wenn Zauberei sich durch unerklärliche Phänomene ankündigte.
    Mrs Everetts Gesang war lauter und lauter geworden, ihre sonore Stimme dröhnte in meinen Ohren. Sie wiederholte eine einzelne Formel immer wieder, eine Lautfolge, die schmeichelte und bat …
    Etwas regte sich im Spiegel, der auf dem Tisch vor uns lag. Nur ein Schatten? Die Kette fest umklammert, neigte ich mich nach vorn.
    »Jetzt, Baron«, hörte ich Agatha Everett sagen. »Sehen Sie! Verstehen Sie!«
    Gebannt blickte ich in den Spiegel – und durch den Spiegel: Ein Rosengarten. Ein junges, etwas rundliches Mädchen, das starke Ähnlichkeit mit Lili aufwies, wartete auf einer Bank. Sie war in die Betrachtung einer Blütenknospe versunken. Plötzlich hob sie den Kopf und ein verschmitztes Lächeln stahl sich in ihre Züge. Mit einem Mal war sie nicht mehr unscheinbar, nicht mehr gewöhnlich, sondern beinahe hübsch zu nennen. Die Szene wandelte sich: Ein enger Gang, altes Gemäuer, eine Gruft vielleicht – unmöglich, die Umgebung im Schein der kleinen Öllampe auszumachen. Dann ein Bureau, ein Marmorschreibtisch, vor dem ein junger Mann stand, seine Hände zitterten. Immer schneller wirbelten die Bilder jetzt durch den Spiegel, ein Ballsaal, eine Waffe blitzte, Dunkelheit, eine Fremde mit kalten Augen, das Moldauufer an einem klaren Wintertag, ein Haus brannte.
    Allmählich begannen mich die Erinnerungsfetzen zu verwirren,
die Felix’ unordentlicher Geist uns sandte. »Felix? Kannst du mich hören?«, fragte ich, ohne die Folgen meines Eingreifens zu überdenken.
    Er rührte sich nicht. Nur der Spiegel antwortete, zeigte mir die Schemen eines Hauses, einer Veranda, im Sommerregen.
    »Der Vampir, Felix«, sagte ich leise, beschwörend. »Buckingham.«
    Im Spiegel fiel ein Tropfen Blut.
    Mrs Everett, die Hände noch immer an Felix’ Schläfen gepresst, musterte mich mit undeutbarer Miene.
    Ich musste deutlicher werden: »Eine Nacht. Du warst nicht mehr als ein Knabe, damals. Du hast Schatten gesehen, Schatten, die dich ängstigten. Schatten, die du vergessen wolltest.«
    Der Spiegel verdunkelte sich. Ich hielt den Atem an. Ein mondhelles Zimmer zeigte sich mir. Eine schlanke Gestalt lehnte am Fenster, helle, animalische Augen funkelten mir entgegen. Buckingham warf den Kopf in den Nacken und lachte lautlos. Im Mondlicht sah ich Blut aus einer Wunde an seinem Hals strömen. Blut auf weißer Haut, Blut, das an schmalen, nervigen Knabenhänden klebte, eine blutige Klinge, ein blutiges Kissen.
    Langsam zog Agatha Everett ihre Hände zurück. Felix sackte mit einem Stöhnen zusammen.

11
PRAG 1. BIS 2. JULI 1909

AUS DEN AUFZEICHNUNGEN BARON SIRCOS, PRAG, 1. BIS 2. JULI 1909
    »Den Vampir attackiert?«, zweifelnd maß mich Felix. »Ich war wohl ein furchtloses Kind, aber …«
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, unterbrach ich ihn ruhig.
    »Der Spiegel zeigt keine Traumgespinste, keine Lügen«, ergänzte Mrs Everett, die gemächlich ihre Tarotkarten sortierte. »Nur die Vergangenheit.« Mit einer ungeduldigen Geste bedeutete sie dem Dienstmädchen, das die Vorhänge zurückgezogen hatte und nun ungeschickt mit dem Spiegel hantierte, sich zu beeilen.
    Lysander, der aus dem Salon wieder zu uns in die Bibliothek gestoßen war, schnupperte an den getrockneten Rosen. »Ein Kind, dem es gelingt, einen Vampir zu verletzen.« Er nieste. »Das klingt doch sehr unwahrscheinlich.«
    »Ja«, musste ich gestehen. Und doch hatte ich die Wunde gesehen, all das Blut.
    Felix, den Mrs Everett und ich nach seiner Ohnmacht mit vereinten Kräften auf den Diwan gebettet hatten, wo er sich nun bei einem stärkenden Whisky erholte, ließ den Kopf auf die bestickten persischen Kissen sinken. »Vielleicht hat der Vampir sich den Schnitt selbst beigebracht?« Müde presste er sich eine Hand gegen die Stirn. »Allmächtiger! Madame, gestehen Sie: Haben Sie versucht, mittels Knüppelschlägen die Trance zu brechen?«
    »So sehr ich es auch bedaure, Sie enttäuschen zu müssen,
aber Sie sind freiwillig in Ohnmacht gefallen, Graf«, konterte Mrs Everett.
    »Sie verstehen es wohl, Salz

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