Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Kennst du diesen Mann? Ist er der Mörder meiner Schwester? Ist er es, der auch mich umbringen will? Verteilt er die sanduhren?«
»Die Frau muss vorsichtig sein.«
»Was meinst du damit?«
»Die Frau muss Acht geben. Bald ist es wieder so weit.«
»Wer ist dieser andere Schatten?«
»Man muss jetzt gehen. Man kommt wieder. Wird auf die Frau aufpassen.«
»Wer ist der Mörder? Kennst du ihn? Hilfst du ihm? Wo ist er?«
Anna fragte sich in Rage und respektierte nicht, dass der Gast sich längst bereit machte zu gehen. Fast mit Gewalt versperrte sie ihm den Weg, schloss die Stubentür wieder und redete auf ihn ein.
»Hast du auch etwas mit diesen anderen, diesen kleinen Hunden zu tun?«
»Die Hunde sind immer da, wenn eine Frau stirbt.«
»Weshalb sind sie immer da?«
»Das weiß man nicht.«
»Du bist es nicht, der die Frauen tötet, oder?«
»Die Frauen haben gelacht und mussten sterben.«
»Wer hat sie umgebracht? Du weißt es doch. Weshalb willst du es mir nicht sagen?«
»Man geht jetzt.«
Und mit einem unsanften Stoß wurde Anna zur Seite befördert, sodass sie gerade noch das Gleichgewicht halten konnte und nicht zu Boden stürzte. Dann war er fort, wieder einmal fort, dieses mysteriöse Wesen, von dem Anna nun eines wusste: Er hatte sicherlich mehrere Seelen auf dem Gewissen. Doch ihre Schwester und all die anderen Frauen, die mit durchtrennten Kehlen an Bäumen oder Balken hingen – für diese Toten war er nicht verantwortlich.
Aber warum sagte er nicht, wer der wirkliche Mörder war? Wieso nicht? Er beschützte Anna, aber er schützte auch diesen anderen, diesen wahren Täter. Warum?
Sie müsste sich später den Kopf darüber zerbrechen. Nun lud sie lieber eine Waffe und lief hinaus zum See, um Andreas zu holen. Sie fürchtete, dass dieser unheimliche Verfolger seine Mission, sie zu beschützen, zu ernst nahm. Nach wenigen hundert schritten kam er ihr entgegen. Völlig erschöpft und außer Atem sagte er nur: »Hab ihn nicht gefunden.«
Anna umarmte ihn, strich ihm durchs verschwitzte Haar und gab ihm einen Kuss. Dann sagte sie: »Komm, wir gehen heim.«
Von dem Besuch erwähnte sie nichts.
Der sommer des Jahres 1634 verging, ohne dass sich etwas ereignet hätte, was – außerhalb von seuchen, Hunger, spaniern und Schweden – für Aufsehen gesorgt hätte.
Der Krieg blieb unermüdlich. Hans Mergel, immer gut informiert über den stand der Dinge, über Handeln und Unterlassen der Mächtigen, war sich sicher, dass dieses Schlachten und Bekriegen immerfort andauern würde.
»Da gibt keiner auf, denn niemand gönnt dem anderen auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel. Ihr müsst euch das so vorstellen, meine Lieben: Das ist wie ein Rad, das man eine Zeitlang an einem Stöckchen vor sich hergestoßen hat. Ein nettes Kinderspiel, welches man so lange spielt, bis es einem langweilig wird. Doch dann kommen immer mehr Kinder, alle haben sie ein Stöckchen, alle wollen sie am gleichen Rad drehen, und schon bricht das Chaos aus.
Und dann, stellt euch vor, kommt auch noch ein Berg, ein Berg, der in ein tiefes Tal führt, und das Rad ist gar nicht mehr aufzuhalten, es läuft und läuft, läuft ganz von allein, und alle Kinder laufen hinterher. Erst lachen sie noch, dass das Rad so wunderbar den Berg hinabrollt, ganz ohne ihr Zutun, dann fallen die Ersten auf die Nase, weil sie nicht mehr schritt halten können. Und die anderen laufen weiter mit, laufen und laufen hinter dem Rad her, laufen stundenlang, tagelang, monatelang, ja jahrelang, immer weiter den Berg hinunter. Und dann vergessen sie ganz, woher sie eigentlich kommen, vergessen ganz, dass sie doch eigentlich nach Hause gehen sollten. sie laufen einfach, und das Rad rollt und rollt – bis in die Hölle.
So ist das mit dem Krieg und den Mächtigen, wie mit einem Rad und den Kindern. Wie mit einem Spielzeug, über das sie längst die Macht verloren haben, von dem sie aber trotzdem nicht lassen können, weil sie immer weiterspielen wollen, immer weiter, immer weiter, ohne überhaupt zu wissen, weshalb sie spielen, denn spaß macht ihnen dieses Spiel schon lange nicht mehr.«
Anna kannte diese Erzählungen und Vergleiche des Alten schon zu Genüge, sie liebte ihn für diese Geschichten, aber wirklich interessant fand sie sie noch immer nicht. Andreas hingegen war fasziniert von der Klugheit und Weitsicht dieses einfachen Mannes. Ja, der Alte hatte begriffen, und auch er hatte begreifen müssen. War doch auch er, Andreas Moosberger, eines
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