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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Adel könnten nur heißen, dass sie ihre alten Bekannten den Neulingen in Winterbourne Barton vorzog. Ihre Tochter Madeleine, die ab und an aus London zu Besuch kam, unterstützte diese Vermutungen mit Bemerkungen über den gesellschaftlichen Rang ihrer Mutter. Und da Lily die Tatsache vertuschte, dass ihr verstorbener Mann ihr Vermögen an der Börse verspielt hatte, und vorgab, wohlhabender zu sein, als sie tatsächlich war, glaubten alle, sie hätte ihre Freunde außerhalb des Dorfs.
    Sie lebte recht und schlecht von einer staatlichen Rente und einigen bescheidenen Dividendenzahlungen, die sie Robert, ihrem Mann, verschwiegen hatte, und kam gerade so über die Runden. Kein Wunder, dass Barton House, wie ich gleich bei meinem Einzug feststellte, in schlimmem Zustand war, mit abbröckelnden Zimmerdecken und feuchten Wänden. Aber da Besucher höchstens bis in den Salon vorgelassen wurden, war das nicht allgemein bekannt. Flecken auf Teppichen und Wänden waren unter Brücken und Bildern versteckt, und draußen zog sich Glyziniengerank über die Fenstersimse, von denen der Anstrich abblätterte. Sie kleidete sich elegant in Tweedkostüme, trug das weiße Haar zu einem losen Nackenknoten gedreht und blieb eine gepflegte, gutaussehende Frau, bis die Alzheimer-Krankheit dafür sorgte, dass ihr nichts mehr wichtig war.
    Ihre ganze Leidenschaft galt ihrem Garten, und es war immer noch zu erkennen, mit welcher Liebe sie ihn gepflegt hatte, auch wenn er bei meiner Ankunft schon stark verwildert war. Im Haus hatte sich seit der Zeit ihres Großvaters kaum etwas verändert. Es gab keine Zentralheizung; wer es warm haben wollte, musste sich an den Herd in der Küche halten oder im offenen Kamin Feuer machen. Die Zimmer oben waren infolge der Feuchtigkeit selbst im Sommer kalt, und es war nie ausreichend heißes Wasser da, um die große, altmodische Wanne zu füllen. Duschen waren nicht vorhanden. Es gab eine antiquierte Waschmaschine, einen kleinen Kühlschrank mit Gefrierfach, einen billigen Mikrowellenherd und im hinteren Zimmer, wo Lily die meiste Zeit verbrachte, ein Fernsehgerät. Im Winter packte sie sich in ihren dicken Mantel und mehrere Decken. Wenn jemand läutete, legte sie das alles ab und tat so, als hätte sie im zugigen Salon am kalten offenen Kamin gesessen.
    Wie große Teile Dorsets hatte Winterbourne Barton sich in den letzten zwanzig Jahren radikal verändert. Die Grundstückspreise waren in die Höhe geschnellt, und Einheimische verkauften ihre Häuser zu sagenhaften Preisen. Zwei oder drei Anwesen wurden Zweitwohnsitze und standen die meiste Zeit leer, aber die meisten Neuankömmlinge waren Leute mit einer dicken Rente, die aus der Stadt nach Winterbourne Barton kamen, weil es so ein malerischer Ort war und dem Meer so nahe.
    Das Dorf verdankte seine Existenz einem früheren Eigentümer von Barton House, der im achtzehnten Jahrhundert auf einem Stück ertragsarmem Land drei Gesindehäuser errichten ließ. Diese stilvollen, aus Stein von der Halbinsel Purbeck erbauten Häuser mit den reetgedeckten Dächern und den Flügelfenstern waren die Vorbilder für die etwa hundert, die später folgten, bis schließlich die zuständige Verwaltungsbehörde von West Dorset das Dorf unter Denkmalschutz stellte und weitere Bautätigkeit untersagte. Die Baubeschränkung lockte die wohlhabenden Senioren mindestens ebenso sehr nach Winterbourne Barton wie Rosen und Geißblatt, die an den hübschen Steinfassaden emporkletterten. Es bedeutete offenbar Prestige, an so einem exklusiven Ort zu wohnen, besonders wenn er zu den meist fotografierten und seine Bewohner zu den meist beneideten im Land gehörten.
    Lily blieb für sich und lehnte es ab, gesellschaftliche Kontakte zu knüpfen. Sie bat jeden ins Haus, der vorsprach, aber der Empfang war so kühl wie ihr Salon, und die Unterhaltung drehte sich unweigerlich um ihre ›guten Freunde‹ – die Edlen und Vornehmen des West Country – und nie um die Zugezogenen, die direkt vor ihrer Nase lebten. Jess zufolge war sie zu stolz, um zuzugeben, dass sie sparen musste, was offenkundig geworden wäre, wenn sie sich mit ihren Nachbarn angefreundet hätte. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass sie den Menschen ebenso gleichgültig gegenüberstand wie Jess.
    Die Einzige, die sie regelmäßig besuchte, war Jess, deren Großmutter in den Kriegsjahren und später in Barton House als Dienstmädchen angestellt gewesen war. Dieses Herr-Knecht-Verhältnis schien sich in der Familie

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