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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Verdacht gehabt, dass jemand im Haus sein könnte. Ich flüchtete mich in die nächste Ecke. Ich hatte mit dem Rücken zur Tür gestanden und Kleider auf dem Bett aussortiert, und in der Sekunde, als ich wahrnahm, dass jemand den Raum betreten hatte, und mich herumdrehte, glaubte ich, es wäre MacKenzie. Erst dann erkannte ich sie.
    »Kippen Sie mir jetzt bloß nicht um«, warnte sie. »Ich habe nämlich überhaupt keine Lust, Kindermädchen zu spielen. Mal angenommen, ich wäre dieser Kerl gewesen? Wollten Sie da in der Ecke hocken bleiben und sich wieder von ihm fertig machen lassen?«
    Ich richtete mich unsicher auf. »Sie haben mich erschreckt.«
    »Und Sie meinen, der Kerl würde das nicht tun?« Ihr Blick fiel auf die leere Weinflasche neben dem Bett, und sie kniff missbilligend die Augen zusammen. »Ich an Ihrer Stelle hätte im ganzen Haus Waffen verteilt und vierundzwanzig Stunden am Tag einen Baseballschläger zur Hand. Schließlich sollen doch nicht Sie zu Boden gehen, sondern er – vorzugsweise mit eingeschlagenem Schädel.«
    Ich wies auf das Fleischermesser auf dem Bett. »Ich habe das immer bei mir.«
    »Warum haben Sie es dann nicht benützt?«
    »Ich habe Sie erkannt.«
    »Stimmt nicht«, widersprach sie schroff. »Sie waren schon in der Ecke, bevor Sie wussten, wer es war – und Sie sind überhaupt nicht auf die Idee gekommen, sich das Messer zu schnappen.« Sie trat weiter ins Zimmer und nahm es zur Hand. »Es ist als Waffe sowieso nicht zu gebrauchen. Der reißt es Ihnen weg, sobald Sie ihm nahe genug kommen, um zuzustechen.« Sie wog es auf der offenen Hand. »Es ist zu leicht. Da können Sie nicht genug Wucht reinlegen – vorausgesetzt, Sie haben überhaupt den Mumm, es ihm reinzustechen, was ich bezweifle. Sie brauchen etwas, das länger ist und schwerer, etwas, das Sie schwingen können« – sie betrachtete mich scharf –, »dann macht es auch nichts, wenn Sie betrunken sind. Es besteht dann immer noch eine Fifty-fifty-Chance, dass Sie ihn treffen.«
    Ich lehnte mich an die Wand. »Ich besorge mir am Montag einen Baseballschläger.«
    »Dazu müssen Sie aber nüchtern sein.«
    Es war ein Glück, dass ich nicht so betrunken war, wie sie glaubte. Denn dann hätte ich wahrscheinlich aggressiver reagiert. Noch nie war mir jemand begegnet, der so selbstgerecht war. Für eine Abstinenzlerin wie sie bedeutete ein Fingerhut voll Wein Tod und Verderben; aber eine hartgesottene Reporterin wie ich brauchte schon mehrere Flaschen, um ins Koma zu fallen. In einer Hinsicht jedoch hatte sie Recht. Ich war vielleicht nicht volltrunken, aber nüchtern war ich auch nicht. Das Beruhigungsmittel Alkohol war leichter zu beschaffen als Valium oder Prozac. Ich brauchte nur per Kreditkarte bei irgendeinem anonymen Call Center zu bezahlen, und schon wurde es mir kartonweise an die Haustür geliefert.
    Trotzdem musste ich ihr eine versetzen. »Mein Gott, sind Sie puritanisch, Jess«, sagte ich verdrossen. »Wenn es nach Ihnen ginge, würden wir alle mit Linealen im Rücken herumlaufen. Freude scheint es in Ihrer Welt gar nicht zu geben.«
    »In Ihrer sehe ich auch nicht viel davon«, entgegnete sie wegwerfend.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Aber es hat sie gegeben, und wenn alles gut geht, wird es sie auch wieder geben. Können Sie das auch von sich sagen? Glauben Sie, Sie können jemals weit genug von Ihrer Prinzipienreiterei abrücken, um einen anderen mit allen seinen Schwächen zu akzeptieren?« Ich sah ihr in die Augen. »Ich kann es mir nicht vorstellen.«
    Es prallte von ihr ab. »Ich helfe Ihnen doch, oder nicht?«, sagte sie ungeduldig. »Ich habe Lily geholfen. Was wollen Sie noch?«
    Ja, was noch? Anerkennung? Ermutigung? Mitgefühl? Genau die Dinge, die ich von allen anderen
nicht
haben wollte. Aber sie von Jess zu bekommen, schien erstrebenswerter, weil sie nicht im Angebot waren. Vielleicht klafft immer eine Lücke zwischen dem, was wir wollen, und dem, von dem wir wissen, dass wir es als selbstverständlich betrachten können. »Nichts«, sagte ich zu ihr. »Alles okay so weit.«
    Sie betrachtete mich einen Moment lang mit scharfem Blick. »Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen? Sie sind die ganze Woche nicht aus dem Haus gegangen, und Ihr Kühlschrank war leer, als ich das letzte Mal ein paar Eier hineingetan habe.«
    Für jemanden, der keine Lust hatte, Kindermädchen zu spielen, hatte sie erstaunlich viel Ähnlichkeit mit einem. Es hätte mich interessiert, woher sie wusste, dass ich

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