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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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nicht weg gewesen war.
    »Beobachten Sie mich?«
    »Ich wollte nur sehen, ob Sie noch am Leben sind«, entgegnete sie. »Ihrem Auto wächst schon Moos an den Reifen, weil es nicht bewegt wird, und dann diese Festbeleuchtung, die Sie jeden Abend machen. Es gibt vielleicht noch eine bessere Methode, jedem, den es interessiert, zuzurufen, ›Hallo, hier bin ich, ganz allein, komm doch und hol mich‹, aber auf Anhieb fällt mir keine ein.«
    Sehr verspätet fragte ich das Naheliegende. »Wie sind Sie hereingekommen? Alle Türen sind doch abgeschlossen?«
    Sie kramte einen Schlüsselbund aus ihrer Tasche und hielt ihn hoch. »Zweitschlüssel für die Spülküche. Lily hatte immer Angst, sie würde einmal stürzen und sich das Hüftgelenk brechen, deshalb hängte sie sie an einen Haken hinter dem Öltank im Anbau.« Sie schüttelte den Kopf über mein Gesicht. »Aber wenn sie nicht da gewesen wären, wäre ich durch das untere Klo hereingekommen. Das Fenster dort lässt sich am leichtesten von außen öffnen. Man braucht nur so eines» – sie warf das Messer wieder aufs Bett –, »um den Riegel hochzuschieben. Jeder Idiot schafft das.«
    Ich überraschte sie mit einem Lachen, das sie in ihrer puritanischen Art allerdings dem Alkoholgenuss zuschrieb und nicht als Reaktion auf die absurde Zeitverschwendung erkannte, die ich mit der ständigen Überprüfung sämtlicher Schlösser betrieben hatte. »Ein ziemlich hoffnungsloser Fall, wie? Was soll ich tun, was meinen Sie? Mir selbst das Messer reinstoßen und MacKenzie die Mühe ersparen?« Ich hob sofort entschuldigend eine Hand. »Tut mir Leid. So ein geschmackloser Galgenhumor ist unfair Ihnen gegenüber, ich weiß.«
    »Fangen Sie erst mal damit an, dass Sie etwas essen«, sagte sie streng. »Ich habe Verschiedenes mitgebracht. Dann können Sie vielleicht wieder klar denken.«
    »Wer sagt, dass ich das will?« Ich setzte mich ans Fußende des Betts. »Wenn man blau ist, bekommt man keine Panikattacken.«
    »Da haben Sie verdammt Recht«, murmelte sie grimmig und zog mich zum zweiten Mal in den letzten zehn Tagen in die Höhe. »Wenn Sie sich nicht berappeln, kann dieses Schwein mit Ihnen machen, was es will.« Sie schüttelte mich zornig. »Aber den Schmerz vertreibt der Suff auch nicht. Wenn der Ihnen den Kopf in den Eimer stößt, sind Sie garantiert mit einem Schlag stocknüchtern – aber da ist es dann zu spät. Der wird nämlich nicht mit Ihnen spielen – der wird Sie umbringen.«

    Interessant, das Nebeneinander dieser beiden Konzepte. Ich hatte Peter gegenüber das Ertrinken erwähnt, die Vorstellung jedoch, dass MacKenzie mit seinen Opfern ›spielte‹, stammte von Alan. Wenn das Arztgeheimnis und das Amtsgeheimnis der Polizei noch galten, hätte Jess eigentlich nur das wissen dürfen, was ich ihr und Peter vor zehn Tagen in der Küche erzählt hatte: dass mein Entführer Brite war; dass ich seine Story aufgedeckt hatte und sie nur deshalb nicht an die Öffentlichkeit gelangt war, weil wegen Serienvergewaltigung und Mordes gegen ihn ermittelt wurde; dass meine Entführung der Abschreckung gedient hatte.
    Peter zog seine eigenen Schlüsse hinsichtlich der Ereignisse – »Man schreckt niemanden ab, indem man ihn drei Tage hätschelt« – und kam später mit einem Ausdruck des Istanbul Protocol zu mir. Jess rührte das Thema nicht an und beschränkte sich auf Geschichten von Wieseln und Krähen, bis ich ihr nicht mehr aufmachte. Ich konnte mir vorstellen – ja, fand es im Grunde ganz verständlich –, dass Peter bei einem ihrer Gespräche das Ertrinken erwähnt hatte, aber von Alans Theorie hätten sie beide nicht wissen dürfen.
    Ich blieb auf dem Treppenabsatz stehen und schüttelte Jess' Hand ab. »Okay, was geht hier vor? Haben Sie mit Alan Collins geredet?«
    Sie versuchte gar nicht zu lügen. »Nein, nur mit Ihrer Mutter – aber ich habe Alan Collins' E-Mails gelesen. Sie hat sie mir heute Morgen geschickt – zusammen mit denen, die Sie ihm geschrieben haben.«
    »Dazu hatte sie kein Recht«, sagte ich aufgebracht, »und Sie hätten sie nicht lesen dürfen. Sie waren nicht an Sie gerichtet.«
    »Tja, aber ich
habe
sie gelesen«, entgegnete sie ungerührt. »Daran lässt sich jetzt nichts mehr ändern. Oder wollen Sie mich verklagen? Ihre Mutter hat mir die Mails bestimmt nicht geschickt, um Ihnen zu schaden.«
    »Wie hat sie Sie überhaupt erreicht?«
    »Sie hat die Auskunft angerufen. Sie selbst haben ihr ja anscheinend meinen Namen genannt und ihr

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