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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gegangen – und keiner dort hat auch nur einen Finger gerührt.«
    Das hatten wir schon durch. Jedes Gespräch über Lily endete unweigerlich hier – bei der vorgeblichen Gleichgültigkeit der Dorfbewohner. Manchmal hatte ich den Eindruck, Jess benutze das als Entschuldigung für ihr eigenes Versagen. Solange sie diese Leute beschuldigen konnte, brauchte sie sich mit ihrer eigenen Rolle bei Lilys rasantem Verfall nicht auseinander zu setzen. Obwohl man, fand ich, im Grunde genommen niemandem Schuld geben konnte. Es gab kein Gesetz, das vorschrieb, dass Jess auf unbegrenzte Zeit die Last der Pflege einer anspruchsvollen Kranken allein zu tragen habe, und keines, das besagte, Arzt und Nachbarn hätten das plötzliche Zerwürfnis der beiden voraussehen müssen.
    Schwerer war es schon, für Madeleine Entschuldigungen zu finden, denn sie war ja Lilys Tochter. Aber konnte sie in London denn überhaupt ahnen, was vorging? War sie in einer besseren Position als die Leute vor Ort? Ich war bereit, Jess' Einschätzung ihres Charakters zu übernehmen – habgierig, rachsüchtig, boshaft, egoistisch –, dass sie jedoch übernatürliche Fähigkeiten besaß, mochte ich wirklich nicht glauben. »Woher soll Madeleine gewusst haben, dass sie den Herd ungestraft abstellen konnte? Wusste sie denn von dem Streit zwischen Ihnen und Lily? Hätte Lily ihr davon erzählt?«
    »Wir hatten keinen Streit. Ich bin einfach nicht mehr hergekommen.«
    »Okay. Hätte sie ihr
das
erzählt?«
    Jess' plötzliches Stirnrunzeln verriet mir, dass sie wusste, worauf ich hinauswollte. Sie konnte Madeleine kaum des versuchten Mordes beschuldigen, wenn Madeleine so ahnungslos gewesen war wie alle anderen. Sie wich der Frage nicht aus. »Nein«, antwortete sie entschieden. »Dann hätte Madeleine ja den Grund wissen wollen.«
    Ich kehrte zu der Frage zurück, die sie nicht beantworten wollte. »Was hat Lily denn nun eigentlich gesagt, um Sie so zornig zu machen? Und was so schrecklich war, dass sie es ihrer eigenen Tochter nicht erzählen konnte?« Sie presste die Lippen aufeinander. »Nun kommen Sie schon, Jess. Zwölf Jahre lang bedienen Sie eine verwöhnte Zicke von vorn bis hinten – lassen Sie genau in dem Moment, wo sie Sie am dringendsten gebraucht hätte, fallen wie eine heiße Kartoffel – und verteidigen sie jetzt, wo Sie sich nicht mehr um sie kümmern müssen, wie eine Löwin. Wie soll daraus einer klug werden? Können Sie mir das mal sagen?«
    Als sie stumm blieb, riss mir die Geduld. »Ach, zum Teufel damit«, sagte ich verdrossen. »Wen schert das schon? Ich habe Besseres zu tun.« Ich stand auf und holte die Axt und den bleibeschwerten Spazierstock ihres Großvaters, die beide neben der Tür an der Wand lehnten. »Wollen Sie mir helfen, die Dinger hier zu verstauen, oder wollen Sie lieber eingeschnappt nach Hause brausen?«
    Ihrem finsteren Blick nach zu urteilen, dachte sie auf jeden Fall daran, und das machte mich plötzlich wütend. Sie war wie ein verwöhntes Kind, das mit Wutanfällen seinen Kopf durchzusetzen versuchte, und ich hatte keine Lust mehr, da mitzuspielen. »Es gibt nur eine Person, die das Ventil zugedreht haben kann, und das sind
Sie,
Jess. Wer sonst wusste, wo es sich befand oder was es für Lily bedeutete, wenn sie nicht mehr heizen konnte? Wer –
außer Ihnen!
– wusste, dass Sie Ihre Besuche eingestellt hatten?«
    Mit einem seltsamen kleinen Seufzer zog sie den Stapel Lieferscheine zu sich heran und begann, die Zettel zu zerreißen.
    Ich sprang zu ihr hin, aber es war nur eine halbherzige Bewegung. »Das können Sie nicht tun.«
    »Warum nicht? Wem wollen Sie sie zeigen? Der Polizei? Peter? Madeleine?« Sie sammelte die Fetzen ein und trug sie zum Spülstein. »Kann ich mal Ihr Feuerzeug haben?«
    »Nein.«
    Sie zuckte gleichmütig mit den Schultern und zog ein Streichholzheftchen aus der hinteren Tasche ihrer Hose. »Es ist anders, als Sie glauben«, sagte sie, während sie ein Streichholz anriss und das Schnipselhäufchen anzündete.
    »Ich finde, es ist sehr klar.«
    Sie streckte einen Arm zur Seite aus, um mir den Weg zu versperren, obwohl ich gar nicht daran dachte, sie von ihrem Tun abzuhalten. Mich mit ihr um Beweismaterial zu schlagen, von dem es zweifellos Duplikate bei den Unterlagen des Öllieferanten gab, erschien mir völlig sinnlos. Ich fragte mich, wieso Jess daran nicht gedacht hatte.
    Es war, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Niemand wird nachsehen, wenn Sie nichts davon erwähnen«, sagte

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