Des Teufels Werk
anderthalbtausend Morgen.«
»Und wenn man Lily glaubt?«
Sie zögerte. »Ihr Vater hat Joseph Derbyshire das Land als Entgelt für« – sie suchte nach einer geeigneten Wendung – »für geleistete Dienste geschenkt.«
Ich sah sie erstaunt an. »Nicht übel. Was war Grundbesitz in den Fünfzigern hier wert?«
»Keine Ahnung. Die Grundeigentumsurkunden liegen bei den Eigentumsurkunden für das Haus, aber es gibt kein Dokument, das beweist, dass Joseph jemals einen Kredit aufgenommen hat, um das Land bezahlen zu können. Wenn es wirklich so war, wurde die Schuld beglichen, bevor mein Vater den Besitz geerbt hat.« Sie schwieg.
»Was waren das denn für Dienste?«
Jess zog ein Gesicht. »Lily sprach von einer Verzichtserklärung. Sie sagte, Joseph hätte ein Schriftstück unterschrieben und Stillschweigen gelobt … aber bei den Urkunden liegt keine Kopie eines solchen Schriftstücks.«
Meine Verwunderung wuchs. »Das klingt wie Erpressung.«
»Ich weiß.«
»Ist das die Munition, die Sie Nathaniel geliefert haben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Dass Madeleine davon erfährt, würde ich nun wirklich nicht wollen. Sie würde mich vor Gericht schleppen, wenn sie Wind davon bekäme.«
Ich hatte keine Ahnung, was die britischen Gesetze zu Grundbesitz sagten, der vor fünfzig Jahren mittels Nötigung erworben worden war, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Madeleine vor Gericht auch nur die geringste Chance gehabt hätte. »Ich glaube nicht, dass Sie sich da Sorgen machen müssen«, sagte ich. »Wenn Sie nachweisen, dass die Derbyshires über mindestens zwei Generationen das Land in gutem Glauben bewirtschaftet haben …« Ich geriet ins Stocken angesichts ihrer düsteren Miene. »Wusste Ihr Vater davon Bescheid?«
»Er muss es gewusst haben. Als Erstes fragte mich meine Großmutter nach der Beerdigung, ob mein Vater mir die Geschichte des Hofs erzählt hätte.« Sie rieb sich die Augen. »Als ich nein sagte, tischte sie mir die Geschichte mit dem Kredit auf – und ich habe sie nie angezweifelt, bis Lily immer wirrer wurde und anfing, mir die Familiengeheimnisse anzuvertrauen.«
»Weil sie Sie mit Ihrer Großmutter verwechselte?«
»Immerzu, ja. Manchmal gab sie ganze Gespräche wieder, die sie nach dem Tod meiner Eltern geführt hatten – dann sprang sie plötzlich wieder ein halbes Jahrhundert zurück in die Zeit, als meine Großmutter bei ihr Dienstmädchen gewesen war.« Sie machte eine Rundbewegung mit der Hand, wie um einen Kreislauf anzudeuten. »Ich habe ewig gebraucht, um dahinterzukommen, dass ein Dankeschön sich auf die Neunziger bezog und ein Befehl bedeutete, dass wir uns in den Fünfzigern befanden. Sie erzählte mir ständig, wie lieb Frank zu ihr gewesen sei – und was für eine reizende Frau er in Jenny gefunden hätte. Dass sie nie versucht hätten, die Situation auszunützen. Obwohl sie – Lily – doch am Anfang so garstig gewesen sei. Am meisten bedauerte sie es, dass sie meinen Vater nicht anerkannt hatte.« Wieder versank sie in Schweigen.
»Anerkennen inwiefern?«, hakte ich nach.
»Als ihren Bruder.« Diesmal war der Seufzer abgrundtief. »Wenn Lily die Wahrheit gesprochen hat, dann war der Vater meines Vaters
ihr
Vater, William Wright, und nicht Jack Derbyshire, der Ehemann meiner Großmutter, der kurz nach dem Krieg starb. Das heißt, Lily ist meine Tante und Madeleine meine Cousine ersten Grades – und ich bin eine Wright.« Sie blickte mich plötzlich sehr niedergeschlagen an. »Die Derbyshires gibt es nur noch dem Namen nach, und ich habe Lily wirklich dafür gehasst, dass sie mir das gesagt hat.«
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, weil ich nicht erkennen konnte, was sie schlimmer fand – eine Wright zu sein oder keine Derbyshire zu sein. »Sie brauchen es ja nicht zu glauben. Sie war verwirrt, als sie es Ihnen erzählte. Ich an Ihrer Stelle würde dem glauben, was Ihre Großmutter Ihnen vor zwölf Jahren gesagt hatte. Denn weshalb hätte sie lügen sollen? Wäre das damals nicht genau der Zeitpunkt gewesen, Sie damit zu trösten, dass Sie nicht allein sind – dass Sie immer noch Familie haben?«
»Ich glaube, Lily hatte sie gebeten, das nicht zu tun. Sie sagte ein- oder zweimal: ›Sag dem Mädchen nichts, das tue
ich,
sie ist im Moment viel zu deprimiert.‹«
»Aber Lily hat es Ihnen nie gesagt – jedenfalls nicht, solange sie noch klar denken konnte.«
»Nein.«
»Dann gab es entweder nichts zu sagen«, meinte ich, »oder sie hatte nie
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