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Des Todes Dunkler Bruder

Des Todes Dunkler Bruder

Titel: Des Todes Dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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keinerlei Spuren entdecken, kein verräterischer Stapel sorgfältig umhüllter Päckchen. Es gab nur diese Kopfpyramide.
    Ich starrte weiter. Nach einer Weile schwamm Vince Masuoka mit offenem Mund und bleichem Gesicht zu mir herüber. »Dexter«, grüßte er kopfschüttelnd.
    »Hallo Vince«, sagte ich. Er schüttelte wieder den Kopf. »Wo sind die Körper?«
    Er starrte nur einen langen Moment auf die Köpfe.
    Dann wandte er mir mit dem Ausdruck verlorener Unschuld das Gesicht zu. »Irgendwo anders«, sagte er.
    Ein Klappern an der Treppe brach den Bann. Ich zog mich zurück, als LaGuerta mit ein paar sorgfältig ausgewählten Reportern eintrat – Nick Soundso und Rick Sangre vom lokalen Fernsehsender und Eric der Wikinger, ein auswärtiger, angesehener Zeitungskolumnist.
    Einen Moment war der Raum sehr geschäftig. Nick und Eric warfen nur einen Blick hinein und rannten, die Hände vor den Mund gepresst, wieder die Treppe hinunter. Rick Sangre runzelte nachdenklich die Stirn, betrachtete die Lampen und wandte sich dann an LaGuerta.
    »Gibt es hier eine Steckdose? Ich muss meinen Kameramann holen«, sagte er.
    LaGuerta schüttelte den Kopf. »Sie warten auf die anderen«, sagte sie.
    »Ich brauche Bilder«, beharrte Rick Sangre.
    Hinter Sangre erschien Sergeant Doakes. Der Reporter schaute sich um und entdeckte ihn. »Keine Bilder«, sagte Doakes. Sangre öffnete den Mund, sah Doakes einen Moment lang an und klappte den Mund dann wieder zu. Einmal mehr hatten die gediegenen Eigenschaften des guten Sergeants die Situation gerettet. Er ging zurück und stellte sich beschützend neben die ausgestellten Körperteile, als wäre es eine Wissenschafts-ausstellung und er der Wärter.
    Vom Eingang her war ein unterdrücktes Husten zu vernehmen und Nick Soundso und Eric der Wikinger kehrten zurück, schlurften langsam wie alte Männer die Treppen hoch und zurück in das Stockwerk. Eric vermied es, ans andere Ende der Etage zu blicken. Nick versuchte, nicht hinzusehen, aber sein Kopf wanderte immer wieder zu diesem grauenvollen Anblick, dann riss er ihn rasch herum und konzentrierte sich wieder auf LaGuerta.
    LaGuerta begann zu sprechen, und ich näherte mich auf Hörweite. »Ich habe Sie drei hergebeten, damit Sie sich das ansehen, bevor wir der Presse die offizielle Erlaubnis erteilen«, sagte sie.
    »Aber wir dürfen uns inoffiziell damit beschäftigen?«, unterbrach Rick Sangre.
    LaGuerta ignorierte ihn. »Wir wünschen keine wilden Spekulationen seitens der Presse über das, was hier passiert ist«, sagte sie. »Wie Sie selbst sehen, handelt es sich um ein brutales und bizarres Verbrechen …« Sie hielt einen Moment inne und sagte dann sehr betont: »MIT NICHTS ZU VERGLEICHEN, WAS WIR JEMALS GESEHEN HABEN.« Man konnte die Großbuchstaben förmlich hören.
    Nick Soundso sagte: »Häh« und blickte nachdenklich drein.
    Eric der Wikinger verstand augenblicklich. »Wow, warten Sie mal«, sagte er. »Sie behaupten, es handele sich um einen nagelneuen Killer? Eine vollkommen andere Mordserie?«
    LaGuerta sah ihn bedeutungsvoll an. »Selbstverständlich ist es zu früh, um mit Sicherheit etwas sagen zu können«, erwiderte sie in selbstsicherem Ton. »Aber wir wollen die Angelegenheit logisch betrachten, ja? Erstens«, sie hielt einen Finger hoch, »haben wir jemanden, der die anderen Morde gestanden hat. Er sitzt im Gefängnis, und wir haben ihn nicht herausgelassen, um das hier zu tun. Zweitens habe ich noch nie etwas gesehen, was dem hier auch nur annähernd ähnlich gewesen wäre, verstanden? Weil es drei sind und sorgfältig arrangiert, okay?« Gott segne sie, sie hatte es bemerkt.
    »Warum darf ich meinen Kameramann nicht holen?«, fragte Rick Sangre.
    »Wurde bei einem der anderen Opfer nicht auch ein Spiegel gefunden?«, fragte Eric der Wikinger schwach, während er versuchte, nicht hinzusehen.
    »Haben Sie die, äh – identifiziert?«, erkundigte sich Nick Soundso. Sein Kopf begann in Richtung Ausstellungsstück zu wandern, aber er fing sich und wandte sich ruckartig wieder LaGuerta zu. »Handelt es sich bei den Opfern um Prostituierte, Detective?«
    »Hören Sie«, sagte LaGuerta, sie klang mittlerweile leicht gereizt, und ihr kubanischer Akzent klang eine Sekunde lang durch. »Lassen Sie mich etwas klarstellen. Es ist mir egal, ob sie Prostituierte sind. Es ist mir egal, ob sie einen Spiegel haben. All das ist mir vollkommen gleichgültig.« Sie holte Luft und fuhr dann wesentlich ruhiger fort. »Der andere

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