Des Todes Liebste Beute
dann setzte er hinzu: »Aber das nächste Mal ist sie meiner.«
Entzückt starrten Becca und Rachel Kristen an, deren Wangen augenblicklich heiß wurden. Sie gab sich Mühe, die beiden Frauen zu ignorieren, und sah zu Aidan auf. »Es tut mir Leid, dass Ihre Freunde in diese Geschichte verwickelt werden mussten, aber jeder, der je mit diesen Fällen zu tun hatte, wird danach gefragt, wo er zum Zeitpunkt der Morde gewesen ist. Das schließt auch alle Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft ein – also auch mich. Wer ein Alibi hat, wird von der Liste gestrichen. Wer damit nicht aufwarten kann, wird etwas eingehender befragt.« Sie hob die Hände und ließ sie fallen. »Aber es tut mir Leid. Wirklich.«
Aidan zögerte, neigte dann aber in einem leichten Nicken den Kopf. »In diesem Fall … in Ordnung.«
»Wenn wir sie bitten, draußen im Garten zu essen, darf sie dann bleiben?«, fragte Rachel trocken.
Aidan verdrehte die Augen. »Gib mir meine Mütze, du kleine Klugscheißerin.«
»Aidan!«, fauchte Becca. »Du sollst in meiner Küche nicht fluchen.«
»Geh ins Wohnzimmer und fluch mit Dad«, sagte Rachel mit einem Grinsen, und nach einem kurzen Moment grinste auch Aidan. Er wurde wieder ernst, als sein Blick Kristens begegnete.
»Es tut mir Leid«, sagte er ruhig. »Mein Partner war ziemlich fertig, nachdem er von der IA kam. Wir haben alle Angst, dass sich das zu einer Hexenjagd entwickeln könnte.«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann«, erwiderte Kristen aufrichtig, und Aidan schürzte nachdenklich die Lippen.
»Also gut.« Er zog eine dunkle Braue hoch. »Ich denke, Sie dürfen bleiben.«
Sonntag, 22. Februar, 20.00 Uhr
Sie hielt sich prima, dachte Abe stolz. Kristen hatte ein sonntägliches Familienessen bei den Reagans überlebt. Der Braten war eine kulinarische Großtat gewesen, und die, die danach noch blieben, versammelten sich im Wohnzimmer, um einen Film zu sehen, was ihn so sehr an alte Zeiten erinnerte, dass ihm die Kehle eng wurde. Sean saß auf dem Sofa, Ruth mit dem Neugeborenen auf dem Boden an seine Beine gelehnt. Es hatte nach Debras Tod lange gedauert, bis Abe wieder in der Lage gewesen war, seinen Bruder mit seiner Frau zusammen zu sehen, ohne in Depressionen zu versinken. Und es lag noch nicht einmal daran, dass Ruth Debra so ähnlich sah – sie waren Cousinen gewesen. Es lag mehr an der Aura des Glücks, die Sean und Ruth umgab, wann immer sie im selben Raum waren, und Abe hatte das über eine lange Zeit hinweg nicht ertragen können. Doch inzwischen hatte er sich an den Schmerz des Verlustes gewöhnt. So war es nun einmal. Sean und Ruth zusammen zu sehen tat seinem Herzen weh.
Bis heute. Heute war er nicht allein hier. Heute hatte er Kristen hergebracht, und sie hatte sich so glatt eingefügt, als ob sie ihn ihr ganzes Leben kannte. Nun hockten sie und Rachel auf dem Zweier-Sofa und sahen den Steve-Martin-Film, den Sean aus der Videothek geholt hatte. Von dort, wo er saß, konnte er ihr Gesicht sehen, das zum ersten Mal seit fünf Tagen wirklich entspannt wirkte.
Sie blickte konzentriert auf den Bildschirm, als Rachel sich zu ihr beugte und ihr etwas zuflüsterte. Es musste typisch Rachel gewesen sein, respektlos und witzig, denn Kristen warf den Kopf zurück und lachte dieses rauchige Lachen, das ihn stets wie ein Schlag in die Eingeweide traf. Und nun, da er darüber nachdachte, hätte er wissen müssen, dass er nicht der Einzige sein würde, der das so empfand. Ruths Kopf fuhr herum und starrte Kristen schockiert an. Und auch die Mienen seiner Eltern waren plötzlich gepeinigt.
Abe wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als sie zu packen und mit ihr zu verschwinden, bevor ihr die Reaktion seiner Familie auffiel. Aber natürlich war es bereits zu spät. Ihr fröhliches Gesicht über Rachels Scherz verflüchtigte sich wie Nebel im Sonnenschein.
Ihre grünen Augen richteten sich auf ihn, ihr Blick war wieder wachsam. »Was ist?«, fragte sie.
»Mein Gott«, flüsterte Ruth, dann schüttelte sie den Kopf, als wollte sie ein Bild aus ihrem Bewusstsein verscheuchen. »Es tut mir so Leid, Kristen, aber … aber du hast dich angehört wie jemand, den ich von früher kannte.«
Kristen verharrte reglos, den Blick noch immer auf Abe geheftet. »Debra?«
Er hatte schon Angst und Tapferkeit in ihren Augen gesehen, auch Trauer und Verwundbarkeit. Nun sah er Schmerz, als sie ihre Schlüsse zog, und es traf ihn scharf wie ein Messerstich. »Kristen –«
Ein Lächeln auf den
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