Des Todes Liebste Beute
wandte Abe ein, und Spinelli zuckte resigniert die Achseln.
»Außerdem – warum sollten die Jugendlichen ausgerechnet in diesem Punkt lügen?«, fragte Jack. »Was würde ihnen das bringen?«
»Insbesondere, da einer der Jungen direkt an einem Streifenwagen vorbeimarschiert ist, um Contis Paket abzugeben«, fügte Mia hinzu. »McIntyre saß draußen vor Kristens Haus, als Tyrone Yates das Ding ablieferte. Wenn sie mit unserem Killer unter einer Decke stecken würden, wären sie bestimmt nicht so dreist gewesen.«
Abe durchfuhr ein beängstigender Gedanke. »Sie nicht –
er
vielleicht schon.«
Mia wandte sich stirnrunzelnd zu ihm um. »Was meinst du damit?«
Abe setzte sich an den Computer und rief die Verbrecherkartei auf. »Wie hat unser Killer die beiden Jugendlichen ausgesucht? Zufällig? Sie stammen aus verschiedenen Gegenden, gehen auf verschiedene Schulen. Hat er sich einfach irgendwen herausgepickt?«
Spinellis Miene wurde grimmig. »Er macht nichts zufällig. Dazu ist er zu gut organisiert. Alles baut auf allem auf, jeder Schritt ist geplant. Abe, sagen Sie mir bitte, dass diese zwei Jungen gottesfürchtige Engelchen waren, die niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Bitte.«
Abe gab Tyrone Yates’ Name ein und wartete darauf, dass der Computer die angeforderten Daten abrief. Einen Moment später seufzte er tief. »Der Bursche hat ein Vorstrafenregister, das länger ist als mein Arm. Überfall, Diebstahl, Hehlerei und so weiter, und so weiter.«
Mia verharrte. »Und was ist mit Aaron Jenkins?«
Das einzige Geräusch im Raum war das Klacken der Tastatur. Dann: »Ebenso. Ein paar mindere Vergehen und kleinere Diebstähle.« Er scrollte die Seite abwärts. »Er ist vor vier Monaten achtzehn geworden. Die Jugendakte ist unter Verschluss.« Abe schaute auf und sah, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. »Er hat diese Jugendlichen ans Messer geliefert.«
Jack zog die Stirn in Falten. »Ich kann dir nicht folgen.«
Abe lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Er hat diese Kids nicht zufällig herausgepickt, dessen bin ich mir sicher. Vielleicht hegt er persönlichen Groll gegen sie, vielleicht haben sie ihm oder jemandem, den er kennt, etwas getan. Wenn er sie engagiert und bezahlt, nehmen die Leute doch an, sie würden ihn kennen. Es sind kleine böse Buben, sie sind berüchtigt in ihrer Gegend. Die Sache spricht sich herum, und plötzlich werden sie mit dem Mörder in Verbindung gebracht. Jemand, der den Killer haben will, knöpft sich jetzt erst einmal die beiden Burschen vor.«
Jack schüttelte den Kopf. »Aber das macht keinen Sinn, Abe. Nicht nur, dass es dabei sehr viele ›Vielleichts‹ gibt. Wenn er persönlich etwas gegen die Jungs hat, warum bringt er sie dann nicht gleich um?«
Abe hob die Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht gibt es unter Selbstjustizlern einen Ehrenkodex oder so. Vielleicht war das, was sie gemacht haben, nicht schlimm genug, dass er sich selbst darum kümmern muss, aber, hey! – wenn jemand anderes sich die Lorbeeren verdienen will, dann hat er nichts dagegen. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass wir im Moment nicht mehr haben.«
Mia schloss die Augen. »Wir haben allen in der Gegend Aaron Jenkins’ Bild gezeigt. Der ganzen, durchgeknallten Nachbarschaft.«
Jack massierte sich die Schläfen. »Und jeder mit Fernseher weiß dank Zoe Richardson, mit welchem Fall ihr zwei betreut seid.«
»In den gestrigen Nachrichten ist Tyrone Yates’ Foto gezeigt worden«, sagte Spinelli.
Abe presste die Kiefer zusammen. Er hatte die gestrigen Nachrichten verpasst; er war mit Kristens Angreifer beschäftigt gewesen. »Woher hat Richardson das Foto?«
Spinelli fuhr sich müde durchs Haar. »Sie muss gestern in der Nähe von Kristens Haus herumgelungert sein. Die Aufnahme, die gesendet wurde, war extrem körnig. Man sah Yates in McIntyres Streifenwagen warten. Und dann haben sie gezeigt, wie Conti Julia attackiert hat. ›Ein Vater trauert‹, hat Richardson das genannt.« Er schnaubte verächtlich. »Meine Frau hat die Nachrichten aufgenommen, da wir ja gestern alle in Kristens Haus zu tun hatten.«
Mia stand auf und ging unruhig umher. »Das heißt also, dass dank uns und Richardson die Identitäten der Jungen allgemein bekannt sind.«
»Die zwei werden den Killer nicht identifizieren können«, sagte Jack. »Es sei denn, sie haben uns bei ihrer Aussage angelogen.«
»Vielleicht haben sie das ja«, sagte Abe. »Vielleicht auch
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