Des Todes Liebste Beute
diesen Dienst erwiesen hatte. Und Leah. Es war nicht genug, dass nur er Bescheid wusste. Dass nur er die Tat feiern durfte.
Also hatte er seine Pläne geändert. Es war ihm nicht schwer gefallen zu bestimmen, wer noch von seinen Taten erfahren sollte. Nur eine Person kam in Frage, nur eine Person verdiente es, sein Wissen mit ihm zu teilen.
Kristen Mayhew.
Er hatte sie schon eine ganze Weile beobachtet. Wusste, wie genau und sorgfältig sie arbeitete, um jedem Opfer, das ihr anvertraut wurde, zur Gerechtigkeit zu verhelfen. Und wie vernichtet sie war, wann immer sie scheiterte. Heute war ein besonders übler Tag gewesen. Angelo Conti. Dieser elende, gemeine Mistkerl.
Seine Hände krampften sich ums Lenkrad. Conti hatte eine schwangere Frau umgebracht und durfte heute Nacht in seinem eigenen, weichen Bett schlafen. Wenn er morgen früh erwachte, würde er sein wertloses Leben fortsetzen.
Er lächelte. Wenn
er
morgen früh erwachte, würde er Contis Namen seinem Goldfischglas hinzufügen. Es war schon ziemlich voll, sein Goldfischglas. Voll mit Papierstreifen, die sorgfältig in der Mitte gefaltet waren. Streifen, auf denen jeweils ein Name stand, der das Böse repräsentierte. Aber sie alle würden bekommen, was sie verdienten. Früher oder später würde er auch zu Conti gelangen. Und dann würde er wie alle anderen bezahlen.
Jetzt hatte er schon sechs. Sechs erledigt, noch eine Million offen.
Mittwoch, 18. Februar, 21.30 Uhr
S pinelli wartete im Labor und hieb mit den Latexhandschuhen auf seine Handflächen ein, als seine Truppe der Reihe nach eintrat wie die Heiligen Drei Könige mit Geschenken für das Jesuskind.
»Wo waren Sie denn so lange?«, fragte er gereizt, als Abe die erste Kiste auf den Tisch aus rostfreiem Stahl abstellte, der in der Mitte des Raumes stand.
»Wir mussten warten, bis Jack fertig war«, gab Mia ebenso gereizt zurück und stellte ihre Kiste neben Abes ab.
Jack Unger war der Leiter des CSU -Teams, das das Parkhaus nach Spuren abgesucht hatte. Seine Leute hatten gründlich und professionell gearbeitet, und Abe hatte allergrößten Respekt vor ihren Fähigkeiten, auch wenn er jeden Augenblick ungeduldiger geworden war. In den Kisten befanden sich wahrscheinlich genügend Hinweise auf einen Mehrfachmord, doch das Licht in der Garage war zu schlecht gewesen, und Jack hatte darauf bestanden, erst die Umgebung gründlich zu untersuchen, bevor sie sich dem Inhalt von Kristen Mayhews Kofferraum widmeten. Nun stellte Jack seine Kiste auf das andere Ende des Tisches und drehte sich zu Spinelli um.
»Wollen Sie, dass es schnell geht oder richtig gemacht wird?«, fragte er ruhig.
»Beides«, sagte Spinelli. »Wo ist Kristen?«
»Hier bin ich.« Kristen trat als Letzte ein und schloss die Tür hinter sich. »Ich wollte John Alden mitteilen, was geschehen ist, aber ich erreiche immer nur seine Mailbox.«
»Nun, ich bin körperlich anwesend, wie wäre es also, wenn Sie
mir
mitteilten, was geschehen ist?«
Kristen zog sich den Mantel aus, und Abe sah sich in seiner Erinnerung bestätigt. Ihr voluminöser Mantel hatte eine zierliche Gestalt verhüllt. Sie trug ein maßgeschneidertes Kostüm, dessen Schwarz mit ihrer elfenbeinfarbenen Haut kontrastierte und das Grün der Augen hervorhob, die ihn vorhin vor dem Aufzug auf den ersten Blick fasziniert hatten. Und jetzt fiel ihm auch wieder ein, wo er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Es war vor zwei Jahren gewesen; sie hatte damals ebenfalls schwarz getragen. Dass er sie vor dem Aufzug nicht gleich wieder erkannt hatte, hatte vor allem an den wilden roten Locken gelegen. An jenem Tag vor zwei Jahren hatte sie das Haar zu einem strengen Knoten zusammengefasst getragen, und schon damals hatte er überlegt, ob sie davon nicht Kopfschmerzen bekam.
Auch jetzt hatte sie ihr Haar wieder zurückgenommen. Bevor Jack und Mia eingetroffen waren, hatte sie es rasch zu einem Knoten gewunden und mit Nadeln festgesteckt. Er beobachtete, wie sie mit einer Hand die Frisur betastete, offenbar um sicherzustellen, dass kein Strähnchen entwichen war. Man musste kein Detektiv sein, um sich auszurechnen, dass sie sich wieder in ihre Anwaltspersönlichkeit versetzen wollte. Sie hatte einen Ruf zu verlieren, und darin kamen keine wilden roten Locken, furchtsame Blicke und fremde Männer, an deren Arm man sich festklammern konnte, vor.
»Ich bin Detective Reagan vor dem Aufzug begegnet.« Sie hob eine Schulter zu einem halben Achselzucken. »Es war spät, und er bot
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