Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur (German Edition)
Party, da war eine Ärztin, die fühlte meinen Puls und sagte, das knallt durch. Das scheint davon gekommen zu sein. Ich hatte das gar nicht gemerkt, weil ich da so ekstatisch unterwegs war. Dann kriegte ich wahnsinnige Panik. Hoher Puls – ich dachte, jetzt sterbe ich. Musste mich flachlegen, durchatmen. Ich hörte dann auf mit den Pillen, aber die Angst blieb. Und das Herzrasen. Ich hab mich in der U-Bahn flach hingelegt und durchgeatmet. Das war in der Zeit, wo alle Drogen nahmen. Und durch diese Angst zog ich Drogenleute an. Ich hatte einen Kameramann, der lief mit LSD-Stückchen hinter mir her und sagte: «Du machst jetzt zwei Filme mit LSD!» Ich hatte aber noch diese panische Angst. Ich dachte, wenn ich das nehme, kriege ich Herzrasen, und dann muss ich sterben. Ich konnte dann auch nicht mehr bei Fremden essen. Ich habe immer die offenen Getränke zugehalten. In Speisen hätte man mir ja auch was mischen können. Nur wenn Kinder da waren, dann ging das. Dann dachte ich: «Gut, die Leute sind nicht bösartig. Wenn das die Kinder essen, kann ich das auch essen.» Ich kriegte immer Panik, wenn ich irgendwo gegessen und nicht aufgepasst hatte. In Budapest hatte ich so einen Hunger, habe mir irgendwas geholt, und nachts im Hotel kriegte ich plötzlich Panikanfälle und dachte: «Was mache ich jetzt? Ist da ein Arzt? Wo kann ich mich hinwenden? Muss ich jetzt einsam sterben?» Das Ganze wurde wirklich schlimm. Das Interessante ist: Meine Mutter sagte mir in der Jahrtausendwende, dass ich nicht ihr Sohn bin. Sie saß seit 15 Jahren in meiner Wohnung und sagte 2000: «Du bist nicht mein Sohn. Ich habe dich in Riga während der deutschen Besatzung im Kinderheim gefunden.» Da wusste ich, dass ich in Riga geboren worden bin. Sie hat nichts weiter gesagt und starb dann 2003 mit 98 Jahren. Ich machte mich auf die Suche nach meiner leiblichen Mutter und habe 2007 den Film gemacht: «Meine Mütter». Ich fand unter vielen Schwierigkeiten heraus, dass ich im Knast geboren bin. Im Zentralgefängnis in Riga. Ich bin 1942 geboren, und meine leibliche Mutter ist ein Jahr später in der Psychiatrie in Berlin-Wittenau gestorben. Ermordet worden von denselben Ärzten, die die Euthanasie gemacht haben. Wir konnten das im Krankenprotokoll nachlesen. Eine Frau Silberschmidt hat sie ein Jahr lang praktisch verhungern lassen und sie beinah jeden Tag mit Elektroschocks gequält. Die Diagnose war Schizophrenie. Im Nachhinein kann man nicht sagen, ob diese Diagnose stimmte. Es kann sein, dass sie während der Schwangerschaft vielleicht eine psychotische Geschichte gekriegt hat. Dass das zum Knast führte. Jedenfalls habe ich mir im Nachhinein überlegt: Hätte ich LSD genommen, wie das alle meine Freunde gemacht haben, wäre ich vielleicht nicht mehr runtergekommen. Vielleicht wäre ich psychotisch geworden. Zurückblickend denke ich, dass meine panische Angst vor Drogen mich geschützt hat, auf eine ganz eigenartige Weise. Dass ich gerettet worden bin vor einer vielleicht sehr heftigen psychischen Störung, die durch das LSD hätte ausgelöst werden können. Denn vom Bewusstsein fand ich das gut, Drogen zu nehmen.
Du glaubst, es könnte ein unterbewusstes Wissen über das Drama deiner leiblichen Mutter gewesen sein?
RvP: Das ist ja jetzt alles konstruiert, weil ich das nicht beweisen kann, aber eine genetische Veranlagung hätte durchaus sein können. Man sagt ja, dass das bis zum 35. Lebensjahr ausbrechen kann. Ich habe sozusagen meine Verrücktheit in meine Kreativität, in meine Filme gesteckt. Das hat mich gerettet.
CS: Du hast auch nie gekifft?
RvP: Kiffen hat mir überhaupt nichts gesagt. Ich hätte gerne LSD genommen. Die Berichte von anderen, dass man da die tollsten Welten erlebt, das hätte mich gereizt. Kiffen im Altersheim sollte erlaubt sein, weil das eine zusätzliche Lebensfreude ist. Aber ich hätte zu viel Angst.
Wie bist du denn in deinem Leben mit Alkohol umgegangen?
RvP: Alle näheren Bekannten sind Alkoholiker. Mein Vater war vielleicht nicht Alkoholiker, aber er hat sehr viel getrunken. Und wie das dann so ist: Er kam besoffen heim, fuhr betrunken Auto, und meine Mutter hat sich aufgeregt. In der Pubertät habe ich das sehr stark mitgekriegt und war auf der Seite meiner Mutter. Mein Vater war ein fröhlicher Alkoholiker, der war sehr lieb, der wurde nicht aggressiv. Man verzieh ihm auch immer. Er hatte so einen Charme und Humor, man konnte ihm nie böse sein. Aber das waren Momente, in
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