Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur (German Edition)
schrecklich, weil ich weiß, die Ärzte, die Praxen machen ja meist schon zwei, drei Tage vor den Festtagen zu. Danach sind auch noch Ferien. Deine Hausärzte, die dich kennen, sind dann nicht mehr da. Das ist eine besonders schwere Zeit. Ich habe zwar das Wissen, aber das ist immer für andere besser als für einen selbst. Wenn du in dieser Panik bist und versuchst autogenes Training, das ist dann schwer. Du kommst einfach nicht in diese Ruhe, sondern die Panik übermannt dich.
Bei Weihnachten denkst du nicht an «Jingle Bells» und Plätzchenduft, sondern: «Meine Ärzte sind alle nicht in der Praxis»?
RvP: Genau. Das ist eine schwere Vorstellung.
Wann hast du das letzte Weihnachten entspannt genossen?
RvP: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Weihnachten jemals entspannt war. Ich habe auch wahnsinnige Reise-Angst. Oliver kann das bestätigen. Vor jeder Reise, auch wenn ich von Berlin nach Magdeburg oder Brandenburg fahren muss, was vielleicht eine halbe, dreiviertel Stunde dauert, bin ich drei Tage vorher aufgeregt. Meine Adoptivmutter hat mir mal gesagt, dass ich schon als Baby total unruhig war, wenn ich merkte, dass meine Eltern mich auf eine Reise mitnehmen. Und das ist geblieben. Ich bin ja sehr viel gereist in meinem Leben und muss auch ständig reisen, aber ich bin total verzweifelt. Ich habe Selbstmordgedanken vor Reisen. Wenn ich woanders bin, und da sind nicht die vertrauten Ärzte.
Oliver, kannst du in diesen Situationen beruhigend auf ihn einwirken?
OS: Schwer. Ich kann dann natürlich immer versuchen, ihn mit rationalen Argumenten zu beruhigen. Das funktioniert aber nicht, wenn man Angst hat. Ängste sind irrational. Die Hypochondrie ist schon die Macke, die unser gemeinsames Leben am stärksten beeinflusst. Das fing in der besagten New-York-Woche an, als wir wegen Ohrenschmerzen dreimal in der Notaufnahme waren. Rosa dachte, er kommt nie wieder zurück nach Berlin, weil er davon überzeugt war, dass man mit Ohrenschmerzen nicht fliegen darf. Obwohl ich auch an leichter Hypochondrie leide, war das schon eine andere Kategorie.
Das irritiert dich aber nicht in deiner Liebe zu ihm?
OS: Nein, das irritiert mich nicht. Ich habe selber viele Macken und Ängste. Unsere ergänzen sich und schließen sich gegenseitig aus. Die Macken, die Rosa hat, habe ich nicht und umgekehrt.
Was hast du, was Rosa nicht hat?
OS: Ach, ich habe ganz viele Zwänge. Aber um das mit Rosa abzuschließen: Wenn ihn der linke Zeh kitzelt, dann ist er morgen beim Arzt. Wenn er niest, dann denkt er, er stirbt morgen und rennt sofort zum Arzt. Da ist er ja gut versorgt. Aber das Problem ist, dass er keine Medikamente nehmen kann, weil er glaubt, er stirbt an den Nebenwirkungen. Das fängt schon bei einer Baldrian-Tablette an. Vor einer Reise ist er unwahrscheinlich nervös, aber wenn er eine Baldrian nimmt, denkt er wiederum, er stirbt.
Rosa, du bist jetzt in Köln?
RvP: Ich bin jetzt in Köln. Wenn ich viel zu tun habe, dann vergesse ich das auch schnell. Aber vorher ist es immer ein Problem. Ich sehe dann die Bilder vor mir, wie ich sterbenskrank in der Fremde bin und verenden muss.
Warum hast du nicht in jeder deutschen Großstadt – Köln, Hamburg, Berlin, München – einen Vertrauensarzt, dessen Handynummer du hast?
RvP: Warum habe ich nicht einen Leibarzt, der mit mir reist?
Mit all dieser Angst – und wenn du auch nachts immer rausmusst und nie durchschlafen kannst, müsstest du doch eigentlich ein nervöses Wrack sein? Ich empfinde dich aber als sehr in sich ruhend. Du machst auf mich einen ausgeglichenen Eindruck.
RvP: Ja, ich trenne das, was nach außen geht, und das, was innen passiert. Innen bin ich ein wahnsinnig unruhiger Mensch, deswegen 70 Filme jetzt bis zum nächsten Jahr. Ich habe ständig neue Ideen und bin hektisch-elektrisch. Ich hasse es, Urlaub zu machen. Urlaub ist das Schrecklichste für mich, wo ich mich entspannen muss. Am Meer liegen könnte ich nie.
OS: Wir haben noch nie Urlaub gemacht.
Würdest du denn gerne Urlaub machen, Oliver?
OS: Also nicht mit Rosa.
Heißt das, Rosa, dass dein wundervolles, kreatives Schaffen all die letzten Jahre letztendlich nur Ablenkung von deiner tiefen Unruhe und deinen tiefen Ängsten war?
RvP: Ja. Es ist ein absoluter Zwang. Das ist der Motor der Kreativität. Und es muss alles schnell gehen. Ich weiß noch, als wir die ersten Filme mit der wunderbaren Kamerafrau Elfi Mikesch
Weitere Kostenlose Bücher