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Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)

Titel: Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Grayson
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einmal erkennen konnte, ob dieser überhaupt Wasser führte. 
     
    Rastlos suchte Corbinian Zimmer für Zimmer ab. Die Möbel darin schienen alt, aber gepflegt, die Wandteppiche in den Fluren zeigten diverse Jagdszenen. Schwerter und Rüstungen zierten die Nischen, abgelöst von alten Landschaftsbildern in Goldrahmen. Nirgendwo das Bild eines Menschen. Auch die Uhren, die er bemerkte, schlugen nicht mehr. Ihre goldenen Pendel standen allesamt still, als wäre alle Zeit aus ihnen herausgetropft. Die Stille war unerträglich.
    Nach mehreren Stunden ergebnisloser Suche nach einer lebenden Seele begab er sich erneut in sein Zimmer, das noch immer erfüllt war vom Duft der Blumen. Aber jetzt gab es hier kein frisches Wasser mehr! 
    Corbinian legte sich hin und versuchte, etwas zu schlafen. Doch es wurde ein unruhiger Schlaf voller quälend-fiebriger Alpträume, begleitet von der eindringlichen Melodie eines Spinetts und einem Paar glühend-schwarzer Augen, denen nichts verborgen bleiben konnte. Als er wie aus einem Fieber erwachte, bemerkte er, dass wohl irgendjemand in seinem Zimmer gewesen sein musste, denn auf seinen Kissen waren die Blätter von roten Rosen gestreut worden. Also musste es doch eine lebende Seele in diesem Hause geben!
    Als er sich erhob, stellte er fest, dass auch ein frisches Glas auf seinem Nachtisch gestellt worden war, und wieder war es der Geruch von Blut, der ihn abstieß. Aber gleichzeitig – und darüber erschrak er am meisten – anzog!
    Was wäre, wenn es für ihn nichts anderes mehr gäbe? Wie sollte er jemals aus diesem Gefängnis entkommen? Sein letzter Reiseproviant bestand aus etwas trockenem Brot und würde bald aufgebraucht sein.
     
    Nach seinen ersten Erkundungsgängen befand er sich in einem Bergschloss umgeben von felsigen Schluchten. An diesen Morgen blickte er sehnsuchtsvoll einem Schwarm großer schwarzer Vögel hinterher, die hoch am grauen Himmel vorüber zogen. Sie waren wenigstens frei! 
     
    Corbinian fühlte sich dem Wahnsinn nahe, als er die kalte Morgenluft in tiefen Zügen einatmete. Aber nein, er musste einen kühlen Kopf bewahren. Dieses Mal wollte er nicht eher ruhen, bis er sein Gefängnis ganz erforscht hatte. Er beschloss, sich am heutigen Tage die Kellerräume vorzunehmen. Vielleicht fand sich dort noch die eine oder andere Flasche Wein. Alles war besser, als dieses zähflüssige Zeug in dem edlen Kristallglas, das ihn anwiderte und zugleich lockte.
     
    Der alte Weinkeller mit den ehemals reich gefüllten Holzregalen barg längst keine Schätze mehr. Ein paar leere und zerbrochene Flaschen edler Herkunft standen und lagen herum. Eine halbleere Flasche abgestandener Wein stillte schließlich Corbinians brennenden Durst. Mit einer Fackel in der Hand blickte er sich suchend um. Ein mit morschen Brettern abgesperrter Gang weckte seine Neugier. Er zerbrach das letzte Brett faulenden  Holzes mit einem Tritt und folgte vorsichtig Schritt für Schritt dem von Spinnwebschleiern verhängten Gang. Die Wände glänzten feucht im Schein des Feuers. Der junge Mann wusste nicht, wo er sich genau befand. 
     
    Unvermittelt fand er sich in einem kleinen Gewölbe wieder, dessen zugemauerte Wandnischen mit den steinernen Inschriften auf eine Art Gruft schließen ließen. Hier musste es mal eine Schlosskapelle gegeben haben, obwohl sich nirgendwo ein christliches Symbol fand. In der Mitte des Gewölbes befand sich eine Art Tisch wie ein steinerner Altar, darauf eine große schlichte Keramikvase mit verwelkten, getrockneten Rosen, an denen ebenfalls bereits Spinnweben herunterhingen. Das Atmen fiel schwer hier unten, selbst das Feuer drohte, zu erlöschen. Der zuckende Fackelschein suchte die Wände ab. Namen und Zahlen entdeckte Corbinian auf den Steintafeln, viele davon unaussprechlich fremdartig. Zeugen vergangener Jahrhunderte.

Auf einer der Tafeln war ein kleines Bild in einem schmalen goldenen Rahmen integriert, das er näher betrachten konnte, nachdem er es vom Staub befreit hatte. Kein Zweifel. Die Malerei zeigte in leicht verblassten Farben das Portrait des schönen, fremden Mannes aus seinen Träumen. Er hielt die Fackel höher.  Dominic de Harcourt  stand in verwaschenen Lettern auf dem Stein. Corbinian war zwar klar, dass er von einem Toten verfolgt wurde, oder besser gesagt, einem Untoten. Aber wie kam sein Verfolger hierher? Und wo war  hier  überhaupt? Gedankenvoll strich er mit dem Finger über das Bild, das er so gut aus seinen Träumen kannte. Wie

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