Desiderio - Wenn Engel fallen (Gay Gothic Stories) (German Edition)
Gott, das darf doch nicht wahr sein“, begann Laurentius stammelnd, „das … das hier ist der Brief eines verstorbenen Vicomte, der während der Französischen Revolution hier Zuflucht gesucht hat. Es war eine tragische Liebesgeschichte, die für beide böse ausging.“
„Verstorben?“ Corbinian konnte es nicht fassen.
„Unser Orden hat ihn damals heimlich begraben. Am Rande unseres kleinen Friedhofs in ungeweihter Erde. Es steht dort kein Kreuz, nur eine schlichte Grabplatte. Aber mehr hätten wir ihm auch nicht geben können. Schließlich ist er ein Untoter, und wir gedenken hier nur seiner gequälten Seele.“
„Ein Untoter?“, rief Corbinian erschrocken aus.
Der Abt seufzte. „Seine Geliebte geriet in die Fänge der Revolutionäre und sollte hingerichtet werden. Tag und Nacht hat dieser arme Mensch hier um seine Rettung gebetet und gefleht. Unermüdlich sandte er seine Kuriere aus, um seiner Raphaela eine Nachricht zu hinterlassen.“
„Er hieß genauso wie ich?“, fragte der junge Mann jetzt ganz erstaunt.
„Oh ja, auch sie trug den Namen dieses Engels“, nickte der Abt und fuhr fort, „aber es war hoffnungslos. Schließlich wandte der Vicomte sich von Gott ab und rief die Mächte der Finsternis um Hilfe an. Und jene schickten einen der dunklen Engel, um seine Geliebte in das Reich der Nacht zu entführen. Ewiges Leben, ewige Jugend aber auch ewige Verdammnis hat man ihr geschenkt.“ Bei den letzten Worten zitterte die Stimme des alten Mannes. Dann erzählte er mit Tränen in den Augen die Geschichte des Unglücklichen zu Ende.
„Nach ihrer eigenen Wandlung hat Raphaela auch ihre Brüder, die mit ihr eingekerkert worden waren, mit dem gleichen Fluch belegt. Dann sind sie gemeinsam aus dem Gefängnis entflohen, nicht ohne sich zuvor noch an seinen Peinigern zu rächen. Aber Raphaela trug immer noch die Liebe zu Dominic in ihrem Herzen und folgte seiner Spur bis zu unserem Kloster. In jeder Vollmondnacht hat sie vor dem Kloster auf ihn gewartet, in einer Kutsche. Doch er muss sich geweigert haben, ihr in sein dunkles Reich zu folgen, und hat seine Bitte an den Teufel wohl bitter bereut. Er verfluchte sie und schwor, sich fortan von allen Frauen fern zu halten. Keine sollte jemals wieder sein Herz betören können. In einer Nacht muss er wohl versucht haben, dieses dunkle Wesen, dass er erschaffen ließ, zu töten. Aber sein Vorhaben misslang gründlich. Jedenfalls fand man ihn mit aufgerissenen Adern blutleer an der Klostermauer am nächsten Morgen. Seine Seele ist wohl für immer verloren.“
„Dann ist auch er zum Vampir geworden?“
Der Abt nickte. Er wirkte um Jahre älter. „Ja, aber seine Seele hat keine Ruhe finden dürfen. Auch er wandelt durch die Nacht, immer auf der Suche nach Erlösung und nach einem Gefährten, der sein dunkles Reich mit ihm teilt. Wir haben sein Grab vor vielen Jahren einmal geöffnet, der Sarg war leer. Ja, auch er folgt nun seinem eigenen Fluch. Übrigens, das richtige Familienwappen des Vicomte …“ er zeigte auf das zerbrochene Siegel auf dem Umschlag, „zeigte einst einen Greif, der zwei Schwerter in den Klauen hielt, als Symbol für militärische Stärke. Dieses neue Symbol hier steht jetzt für den Sieg über den Tod, und das macht mir Angst.“
„Und diese Frau?“
„Wurde nie wieder gesehen.“ Der Abt blickte seinen Schützling jetzt voller Schmerz und Trauer an. „Sie war … deine Mutter.“
* * *
Es dauerte einige Zeit, bis Corbinian sich von all den schrecklichen Neuigkeiten erholt hatte. „Was geschah mit meinem Vater?“, fragte er dann leise.
„Deinen Vater hat die Marquise wohl ganz bewusst ausgesucht, aber sie hat nicht mit seiner Entschlossenheit gerechnet. Patrique und Fabrice, die Brüder der Marquise, verfolgten ihn quer durch Europa, um Rache für die Vernichtung ihrer Schwester zu nehmen. An der tschechischen Grenze verliert sich jede Spur von deinem Vater. Meine Nachforschungen haben leider nicht mehr ergeben“, gab Laurentius resignierend zu.
„Dann weiß niemand, ob er noch lebt?“
Der Abt schüttelte den Kopf.
„Und dieser Brief?“, fragte Corbinian und deutete auf das Pergament.
„Dominic ist auf der Suche nach dir. Er will dich als Ersatz für seine Raphaela und dich zu einer der seinen machen. Er ist geradezu besessen von Dir. Du musst wissen, dass der Adel in der damaligen Zeit sich auch Vergnügungen hingab, die man heute als frevelhaft bezeichnet. Dazu hört auch die Liebe zu
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